zum Hauptinhalt
Eine Kundin füllt Lebensmittel in einem Unverpackt-Laden in eine Tüte.

© Kitty Kleist-Heinrich

Deutsche sparen bei hochpreisigen Lebensmitteln: Erste Biosupermärkte melden Insolvenz an

Die Preissteigerungen verändern das Einkaufsverhalten der Bürger. Verstärkt greifen sie zu günstigeren Eigenmarken. Doch auch die werden deutlich teurer.

Hohe Energiepreise, Lieferkettenprobleme und die Inflation: Das Leben in Deutschland ist deutlich teurer geworden. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke kosteten im Juli 14 Prozent mehr als im Vorjahr, ermittelte das Statistische Bundesamt. Immer mehr Menschen müssen daher auf jeden Cent achten. Das hat inzwischen starke Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Immer öfter greifen die Verbraucherinnen und Verbraucher zu den preisgünstigeren Eigenmarken des Einzelhandels und lassen die Markenartikel in den Regalen liegen. „Die Handelsmarken gewinnen spürbar Marktanteile“, sagte der Handelsexperte Robert Kecskes vom Marktforschungsunternehmen GfK der Deutschen Presse-Agentur.
Ganz besonders stark legten nach seinen Worten in den vergangenen zwei Monaten die besonders günstigen Eigenmarkenangebote im Preiseinstiegssegment zu. Allerdings hat die Sache eine Haken: Auch die Eigenmarken der Handelsketten werden teurer – und die Preissteigerungen waren hier zuletzt sogar höher als bei den Markenprodukten.

Die Bio-Eigenmarken der Handelsketten gewinnen an Beliebtheit

Die Eigenmarken, mit denen die Handelsketten den Markenherstellern Konkurrenz machen heißen „Ja“, „Gut & Günstig“, „Milbona“ oder „Gut Bio“. Was einst mit einer Handvoll billiger No-Name-Produkte begann, hat sich mittlerweile zu einer ganzen Produktwelt entwickelt.

Die Kunden achten verstärkt auf den Preis.
Die Kunden achten verstärkt auf den Preis.

© picture alliance/Sven Simon (Montage)

Neben den preisgünstigen Einstiegsmarken wie „Ja“ von Rewe oder „Gut & Günstig“ von Edeka, mit denen die Supermarktketten den Discountern Paroli bieten wollen, gibt es mittlerweile auch viele Eigenmarken-Angebote für höhere Ansprüche: Bio-Produkte, Veggie- und Vegan-Offerten, regionale Produkte und Premium-Angebote für Feinschmecker.

Allen ist gemeinsam, dass sie preislich in der Regel unter den Angeboten der bekannten Markenhersteller positioniert sind. Und dass sie im Moment an Beliebtheit gewinnen.

Während der Umsatz mit Gütern des täglichen Bedarfs insgesamt im ersten Halbjahr 2022 zum Vorjahreszeitraum um drei Prozent zurückging, legten nachhaltige Artikel sogar um 1,2 Prozent zu. Innerhalb des Markts für nachhaltige Produkte geht die Schere jedoch stark auseinander.

Bei verpackten Bio-Lebensmitteln verloren Herstellermarken neun Prozent

Das zeigt sich etwa bei verpackten Bio-Lebensmitteln. Herstellermarken haben hier neun Prozent Umsatz verloren, während preisgünstigere Handelsmarken im selben Umfang zulegten. Bei Naturkosmetik büßten der GfK zufolge Herstellermarken im ersten Halbjahr 13 Prozent ein, Handelsmarken legten um sechs Prozent zu.

Nach den Zahlen der GfK sank der Marktanteil der Markenhersteller, der im vergangenen Jahr noch bei über 59 Prozent lag, im Juni 2022 auf nur noch 56,5 Prozent. Daran konnte auch eine Zunahme der Rabattaktionen nichts ändern. Die Markenhersteller büßten damit Milliardenumsätze ein.

Umsatz in Reformhäusern und Naturkostläden sinkt um 39,1 Prozent

Aber nicht nur die Markenhersteller trifft die Konsumverschiebung, auch der Handel ist davon betroffen. „Die Fachmärkte für hochwertige nachhaltige Produkte leiden besonders stark“, so Kecskes. Der Umsatz in Reformhäusern und Naturkostläden brach laut GfK im ersten Halbjahr um 39,1 Prozent ein. Bio-Supermärkte verloren 16,5 Prozent.

Das ist ein harter Kontrast zum Rekordjahr 2020, damals stiegen die Umsätze mit Bio-Lebensmitteln insgesamt stark an. Sie legten um 22,3 Prozent auf knapp 15 Milliarden Euro zu, ermittelte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Die Verbraucher konnten zu der Zeit nicht verreisen, Restaurants waren geschlossen und das Budget für Lebensmittel war dementsprechend hoch. Auch wurde eine nachhaltige Lebensführung in Zeiten von Corona und Klimawandel immer wichtiger.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die sinkende Nachfrage hat auch die Handelskette Superbiomarkt stark getroffen, die Anfang August Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stellen musste. „Wir spüren deutlich, dass viele Konsumenten zurückhaltender sind“, sagte Inhaber Michael Radau. Die Kunden schauten wieder stärker auf den Preis.

Auch viele Unverpackt-Läden, die hochwertige Bio-Produkte zum Selbstabfüllen verkaufen, leiden unter der Sparwelle. In Berlin ist Original Unverpackt, einer der Pioniere der Branche, insolvent. Auch zwei Hamburger Läden mussten Anfang Juli Insolvenz anmelden.

Beim Einkaufen achten die Menschen wieder stärker auf den Preis

„Der Trend geht aktuell zu den Preiseinstiegs-Eigenmarken. Das ist ein deutliches Anzeichen, wie groß die Verunsicherung in der Bevölkerung ist“, sagte Kecskes. Dem „Konsummonitor Preise 2022“ des Handelsverbandes Deutschland (HDE) und des Instituts für Handelsforschung Köln (IFH) zufolge haben mittlerweile mehr als ein Viertel der Menschen in Deutschland große Angst, mit ihrem Geld nicht auszukommen. Bei den Personen mit einem Netto-Haushaltseinkommen unter 2000 Euro ist es sogar fast die Hälfte.

Die Menschen achten deshalb beim Einkaufen wieder stärker auf den Preis, greifen häufiger zu Sonderangeboten, gehen öfter zum Discounter statt in den Supermarkt oder greifen zu günstigeren Handelsmarken statt zu Markenartikeln.

Milchpackungen der Bio-Eigenmarke „GutBio“ von Aldi.
Milchpackungen der Bio-Eigenmarke „GutBio“ von Aldi.

© Oliver Berg/dpa

Erleichtert wird der Wechsel durch das hohe Ansehen, dass sich viele Eigenmarken inzwischen erarbeitet haben. Nach dem „Handelsmarkenmonitor 2022“ sehen knapp zwei Drittel (65 Prozent) der Verbraucherinnen und Verbraucher die Eigenmarken des Handels qualitativ auf Augenhöhe mit den Markenartikeln. Und acht Prozent sehen sie sogar als überlegen an.

Über die Hälfte (57 Prozent) billigt ihnen dabei zu, preisgünstig zu sein. Gut jeder zweite Befragte sieht deshalb den Wechsel zur Handelsmarke als ein gutes Mittel, um beim Einkauf Geld zu sparen.

Auch die Eigenmarken werden teurer

Allerdings hat die Sache einen Haken. Denn die Sparmöglichkeiten durch den Wechsel vom Markenprodukt zur Händlermarke sind längst nicht mehr so groß wie noch vor einem Jahr. Die Preisabstände seien in diesem Jahr „tendenziell geringer geworden“, beobachtete die GfK.

Lesen Sie auch auf Tagesspiegel Plus:

Das Branchenfachblatt „Lebensmittel Zeitung“ berichtete kürzlich gestützt auf den Datenpool der Preis-App Smhaggle: „Den ausgewerteten Kassenbons von Smhaggle-Nutzern zufolge haben Edeka und Rewe von Januar bis August die Preise ihrer Eigenmarkenprodukte im Preiseinstiegssegment „Gut & Günstig“ respektive „Ja“ um knapp 100 Prozent stärker verteuert als das bei den ebenfalls im Preis gestiegenen Markenprodukten der Fall war.“ Auch bei den großen Discountern stiegen demnach die Preise der Eigenmarken deutlich stärker als die der angebotenen Markenprodukte.

Die Entwicklung an sich sei eigentlich nicht unbedingt verwunderlich, meinte die GfK. „Bei den im Schnitt preisgünstigeren Handelsmarken schlagen höhere Kosten aus Herstellung und Transport prozentual stärker auf die Preise durch als bei den ohnehin höherpreisigen Marken.“ Auch die Zunahme der Sonderangebote bei Markenartikeln mache sich hier bemerkbar. Doch am Ende ist es für preisbewusste Menschen dennoch eine schlechte Nachricht: Die Handelsmarke verliert als letzte Rettung im Kampf gegen die Inflation an Kraft. (dpa, Tsp)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false