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Daniela Klette (undatiertes Fahndungsbild des Bundeskriminalamts BKA).

© picture-alliance/ dpa

Update

Fahnder suchen weiter nach Komplizen Staub und Garweg: RAF-Terroristin Daniela Klette in JVA Vechta gebracht

Die Polizei hat die RAF-Terroristin am Montag in Kreuzberg festgenommen. In ihrer Wohnung wurden Munition und ein ausländischer Pass gefunden. Am Mittwoch ging der Einsatz weiter.

| Update:

Die festgenommene frühere RAF-Terroristin Daniela Klette sitzt übereinstimmenden Medienberichten zufolge aktuell in Untersuchungshaft in der JVA Vechta. Die 65-Jährige ist demnach vom Amtsgericht in das Frauengefängnis in der Justizvollzugsanstalt in Vechta gebracht worden. Weder die zuständige Staatsanwaltschaft in Verden noch das Justizministerium in Hannover wollten sich auf Anfrage dazu äußern. Klette war am Montag in Berlin-Kreuzberg gefasst worden.

Unterdessen hat die Berliner Polizei ihren Einsatz in der Wohnung der 65-Jährigen fortgesetzt. Am Mittwochmorgen standen zunächst drei Mannschaftswagen vor dem Haus in der Sebastianstraße, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur (DPA) beobachtete. Der Eingang zu dem siebengeschossigen Gebäude war wie schon am Dienstag mit Flatterband abgesperrt.

Die Fahnder setzen auch die Suche nach den ehemaligen RAF-Mitgliedern Ernst-Volker Staub (69) und Burkhard Garweg (55) unvermindert fort. „Wir werden weiter fahnden“, sagte der Präsident des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen, Friedo de Vries. Wie dicht die Fahnder inzwischen Staub und Garweg auf den Fersen sind, ist unklar. Aus „ermittlungs- und einsatztaktischen Gründen“ gab das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen am Mittwoch zunächst keine weiteren Details bekannt. 

Im Zusammenhang mit Klettes Verhaftung wurde den Ermittlern zufolge eine weitere, männliche Person festgenommen. Der Verdächtige wurde inzwischen jedoch wieder freigelassen. Wie das Landeskriminalamt in Hannover am Mittwoch mitteilte, handelt es sich zweifelsfrei nicht um einen der beiden noch flüchtigen Straftäter aus dem Bereich der RAF. 

Am Mittwochnachmittag berichtete die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ dann unter Berufung auf Quellen aus dem niedersächsischen Landeskriminalamt (LKA), dass es eine weitere Festnahme in dem Fall gegeben haben soll. Weder die Staatsanwaltschaft Verden noch das LKA Niedersachsen wollten die Festnahme auf Anfrage dementieren oder bestätigen.

Haftbefehl der Bundesstaatsanwaltschaft weiterhin in Kraft

Klette sitzt wegen mehrerer Raubtaten in Untersuchungshaft. Auch ein vor Jahren erwirkter Haftbefehl der Bundesstaatsanwaltschaft gegen die frühere RAF-Terroristin ist weiterhin in Kraft, sagte eine Sprecherin der obersten deutschen Anklagebehörde am Mittwoch. Dabei werde wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und versuchten Mordes bei Taten Anfang der 90er-Jahre ermittelt.

Demnach soll Klette mit weiteren RAF-Mitgliedern versucht haben, im Februar 1990 einen Sprengstoffanschlag auf ein Gebäude der Deutschen Bank in Eschborn zu verüben. Der Sprengstoff detonierte nicht, da die Zündung versagte. Außerdem hatte Klette Erkenntnissen der Ermittler zufolge im Februar 1991 mit RAF-Mitgliedern mindestens 250 Schüsse auf die US-Botschaft in Bad Godesberg nahe Bonn abgegeben.

Vermutet wird außerdem die Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt 1993. Durch die Explosion war an dem Gebäude ein Schaden von 123 Millionen D-Mark entstanden.

Spuren deuten darauf hin, dass Klette auch bei der Anti-Terror-Aktion 1993 im mecklenburgischen Bad Kleinen am Tatort war. Bei der Aktion starben der Polizist Michael Newrzella und der RAF-Mann Wolfgang Grams. Die frühere RAF-Terroristin Birgit Hogefeld wurde verhaftet.

Hinweis kam bereits im November

Der Festnahme durch Zielfahnder war eine jahrelange Ermittlungsarbeit unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Verden vorausgegangen. Die Anklagebehörde wirft Klette, Garweg und Staub versuchten Mord und eine Serie schwerer Raubüberfälle zwischen 1999 und 2016 vor. Die Tatorte lagen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Überfälle nicht politisch motiviert waren. Vielmehr sollen die Beschuldigten die Taten begangen haben, um an Geld für ihr Leben im Untergrund zu kommen.

Der Präsident des Landeskriminalamtes Niedersachsen, Friedo de Vries, gab auf einer Pressekonferenz am Dienstag an, dass der entscheidende Hinweis zu der Festnahme bereits im November 2023 aus der Bevölkerung kam. Bei der Durchsuchung der Wohnung seien demnach zwei Magazine einer Pistole und Patronen beschlagnahmt worden.

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Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens zeigte sich am Dienstag auf der Pressekonferenz „hocherfreut“ über die „Festnahme einer Terroristin, die seit über 30 Jahren im Untergrund lebt“. Sie sprach von einem „Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte“ und einem „Meisterstück“ seitens der Behörden. Behrens bedankte sich beim Landeskriminalamt Niedersachsen und bei der Staatsanwaltschaft Verden.

Die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) sprach von einer „guten Nachricht an die Opfer, denen jetzt endlich Gerechtigkeit zuteilwird“. Die Botschaft an die Täter sei: „Ihr werdet nicht sicher sein. Unser Rechtsstaat wird nicht locker lassen.“

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Dem Leitenden Oberstaatsanwalt in Verden, Clemens Eimterbäumer, zufolge habe der Ermittlungsrichter am Dienstag insgesamt sechs laufende Haftbefehle verkündet. Gegenstand dieser Haftbefehle seien sechs Überfälle: ein Überfall im Juni 2015 in Stuhr bei Bremen, ein Überfall vom 28. Dezember 2015 in Wolfsburg, eine Tat vom 7. Mai 2016 in einem Rewe-Markt in Hildesheim und auf eine Tat vom 25. Juni 2016 in Cremlingen. Darüber hinaus gebe es zwei „alte Taten“ vom 27. Dezember 2006 in Bochum/Wattenscheidt und vom 30. Juli 1999 in Duisburg, die den Tätern zur Last gelegt werden.

Bei ihrer Vorführung beim zuständigen Ermittlungsrichter am Amtsgericht Verden am Dienstag habe Klette sich nicht zur Sache geäußert, sagte eine Sprecherin des niedersächsischen Justizministeriums. Es bleibe abzuwarten, ob sie sich im Laufe der nächsten Tage und Wochen einlassen werde.

Polizei findet Munition in Wohnung von Klette

Klette war am Montagabend gegen 21.30 Uhr unter Federführung der Polizei und Staatsanwaltschaft Niedersachsen in ihrer Wohnung nahe der früheren Berliner Mauer festgenommen worden. Der Einsatz in der Kreuzberger Sebastianstraße sorgte in der Nachbarschaft für viel Aufmerksamkeit. Im gegenüberliegenden Häuserblock standen Anwohner auf dem Balkon und beobachten die Arbeit der Ermittler. Die Berliner Polizei war als Unterstützung vor Ort.

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Seitdem sind auch Kriminaltechniker vor Ort und untersuchen die Wohnung. Berliner Polizisten trugen größere Kisten ins Haus, offenbar, um Gegenstände abzutransportieren.

Klette: eine Nachhilfelehrerin, die Weihnachtskekse verschenkt

Nach Angaben eines Nachbarn soll Klette in Kreuzberg unter dem Vornamen „Claudia“ gelebt haben. Um Geld zu verdienen, soll sie privaten Nachhilfeunterricht in Mathematik gegeben haben, erzählte der Nachbar mittleren Alters am Dienstag vor dem Haus in der Sebastianstraße, das von der Polizei zum Teil abgesperrt war.

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Er habe sich öfter mit Klette, die einen anderen Nachnamen nutzte, unterhalten. Zu Weihnachten habe er Kekse von ihr geschenkt bekommen. Klette habe aber nur eher oberflächliche Kontakte zur Nachbarschaft gepflegt.

Die Verhaftung von Daniela Klette ist ein Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte.

Daniela Behrens, Innenministerin Niedersachsens

RAF-Experte: „Erst eine einzige Tat ist bislang aufgeklärt“

Die 65-Jährige wird zur dritten Generation der linksextremistischen Rote Armee Fraktion (RAF) gezählt. Vertreter der Generation sollen den damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und den Treuhand-Chef, Detlev Karsten Rohwedder, umgebracht haben. Sie gehört zu einem seit langem untergetauchten Trio früherer Mitglieder der RAF, das seit mehr als 30 Jahren auf der Flucht ist.

RAF-Experte Butz Peters sieht in der Festnahme von Daniela Klette die Chance, Taten der dritten Generation der „Roten Armee Fraktion“ aufzuklären. Das sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Dieses letzte Aufgebot der RAF ermordete zwischen 1984 und 1993 zehn Menschen; erst eine einzige Tat ist bislang aufgeklärt“, sagte Peters, der als Anwalt arbeitet und mehrere Bücher über die RAF geschrieben hat.

Polizisten stehen in der Sebastianstraße am Eingang eines Mehrfamilienhauses in Stadtteil Kreuzberg.
Polizisten stehen in der Sebastianstraße am Eingang eines Mehrfamilienhauses in Stadtteil Kreuzberg.

© dpa/Paul Zinken

Unbekannt sei bis heute, „wer alles mit von der Partie gewesen ist“. Seine Prognose: „Die Ermittler werden Klette jetzt die Kronzeugenregelung schmackhaft machen. Dann muss sie sich entscheiden.“ Die einstige RAF-Terroristin Birgit Hogefeld sei auf dieses Angebot nach ihrer Festnahme nicht eingegangen.

Der Sohn des 1977 von der RAF ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, Michael Buback, zeigte sich nach Klettes Festnahme „nicht übermäßig optimistisch“, dass nun weitere RAF-Verbrechen aufgeklärt werden könnten. „Warum sollte sich Frau Klette anders verhalten als andere RAF-Angehörige, die weder sich selbst noch andere belasten?“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Mittwoch.

Neue Hinweise zu Klette nach „Aktenzeichen XY ... ungelöst“-Sendung

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Daniela Klette, Volker Staub und ihren mutmaßlichen RAF-Komplizen Burkhard Garweg wegen versuchten Mordes und mehrerer bewaffneter Raubüberfälle auf Geldtransporter in den Jahren 1999 bis 2016. Nach dem Trio wird auch international gefahndet. Vor zwei Wochen hatte die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ über die drei Gesuchten berichtet.

DNA-Spuren brachten die Ermittler darauf, dass die drei für Raubüberfälle auf Geldtransporte und Supermärkte im Zeitraum zwischen 1999 und 2016 verantwortlich sein könnten. Tatorte waren unter anderem Osnabrück, Wolfsburg und Stuhr in Niedersachsen sowie Hagen und Bochum-Wattenscheid in Nordrhein-Westfalen.

Auffallend sei, dass fast alle Taten im Zusammenhang mit Feiertagen begangen worden seien, teilte die Staatsanwaltschaft Verden nach der „Aktenzeichen XY ... ungelöst“-Sendung mit. Auffallend sei auch, dass die teils gestohlenen, teils gekauften Fluchtfahrzeuge längere Zeit im Besitz der Täter waren.

Ermittler durchsuchen die Wohnung von Klette in der Sebastianstraße im Stadtteil Kreuzberg.
Ermittler durchsuchen die Wohnung von Klette in der Sebastianstraße im Stadtteil Kreuzberg.

© REUTERS/TOBIAS SCHLIE

Unbekannt war aber zunächst, wo die Fahrzeuge in dieser Zeit standen, einige müssen laut Anklagebehörde längere Zeit geparkt gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Überfälle nicht politisch motiviert waren. Die Beschuldigten sollen die Taten begangen haben, um an Geld zu kommen. Weitere Überfälle seien möglich.

RAF für mehr als 30 Morde verantwortlich

Die RAF hatte in den 70er und 80er Jahren mit Anschlägen und Entführungen für Schrecken in der Bundesrepublik gesorgt, insgesamt gehen mehr als 30 Morde auf ihr Konto. 1998 erklärte sich die RAF selbst für aufgelöst. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die ehemalige Terrororganisation weiterhin aktiv ist. 

Ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei verlässt am 27. Februar 2024 den Hof des Amtsgerichts in Verden.
Ein gepanzertes Fahrzeug der Polizei verlässt am 27. Februar 2024 den Hof des Amtsgerichts in Verden.

© dpa/Sina Schuldt

Nach der „XY... ungelöst“-Sendung hatte die Polizei in Wuppertal nach dem Hinweis eines Zeugen auf Ernst-Volker Staub in einem Regionalzug einen Mann und seine Begleiterin festgenommen. Dieser habe Ähnlichkeit mit dem Gesuchten gehabt, sagte die Polizei. Kurze Zeit später aber gab es eine Entwarnung: „Der anfängliche Verdacht zur Identität des Mannes bestätigte sich nicht.“

„Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist“, erklärt Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei Berlin. (mira, AFP, dpa)

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