zum Hauptinhalt
In der Region um die Hauptstadt Stockholm und die Universitätsstadt Uppsala wurden innerhalb von zehn Tagen sieben Menschen erschossen.

© Imago/TT/Pontus Stenberg

Update

Per Kopfschuss getötet: Mord an 13-Jährigem in Schweden hat Verbindung zu Bandenkriminalität

Aktuell erlebt Schweden eine bisher ungekannte Welle an Morden. Erst am Donnerstagabend wurden offenbar wieder mehrere Männer Opfer von Gang-Gewalt. Ein Fall erschüttert aber besonders.

| Update:

In Schweden eskaliert aktuell die Gewalt der Bandenkriminalität: In der Region um die Hauptstadt Stockholm und die Universitätsstadt Uppsala wurden innerhalb von zehn Tagen sieben Menschen erschossen. Ein besonders brutaler Fall erschütterte das skandinavische Land am 11. September, als der 13-jährige Milo ermordet in einem Wald bei Handen südlich der Hauptstadt aufgefunden wurde. Er war mit einem Kopfschuss getötet worden.

Nun zeigt sich, dass der Mord an dem Jungen in Verbindung zur Bandenkriminalität steht. „Es gibt Informationen, auf die ich wegen der Geheimhaltung der Ermittlungen nicht näher eingehen kann, die zeigen, dass der Junge der schweren und völlig rücksichtslosen Bandengewalt ausgesetzt war“, sagte die leitende Staatsanwältin Lisa dos Santos am Donnerstag in Stockholm, wie unter anderem der schwedische Sender SVT berichtet.

Derzeit befinden sich die kriminellen Netzwerke in einer sehr gewaltsamen, eskalierenden Phase.

Christoffer Carlsson, Kriminologe von der Universität Stockholm

Der 13-jährige Milo kam dem Bericht zufolge aus Stockholm und wurde am 8. September als vermisst gemeldet. Am frühen Montagmorgen, dem 11. September, wurde er tot aufgefunden,

Es wird vermutet, dass der Großteil der Morde mit einem internen Konflikt innerhalb des sogenannten Foxtrot-Netzwerks zu tun hat, in dem zwei Flügel der Gang gegeneinander kämpfen. Im Zentrum des Konflikts soll der mit Haftbefehl gesuchte 36-jährige Rawa Majid stehen, der das Netzwerk anführt.

Gang-Gewalt schwappt aus Türkei nach Schweden über

Majid ist in Schweden unter dem Namen „Der kurdische Fuchs“ bekannt und soll sich mit einem 33 Jahre alten anderen führenden Mitglied des Netzwerks, Ismail Abdo („Erdbeere“), überworfen haben. Beide sollen sich in der Türkei versteckt halten.

SVT-Informationen zufolge nahm dort Anfang September die jüngste Gewalt ihren Anfang: Erst soll jemand aus dem Lager des 33-Jährigen in Istanbul misshandelt worden sein. Dann wurde offenbar eine Unterkunft mit Verbindungen zum Lager Majids geschossen.

Dann erreichte der Konflikt schwedischen Boden: Am 7. September wurde in Uppsala eine Frau im Alter von rund 60 Jahren erschossen – die Mutter Abdos. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um eine regelrechte Hinrichtung. Majids Schwiegermutter soll wohl einem Attentat knapp entgangen sein, berichtete der österreichische „Standard“. Seitdem folgt eine Racheaktion auf die nächste.

Offenbar zwei weitere Tote durch Gang-Gewalt in Schweden

Erst am Donnerstag forderte die Bandengewalt vermutlich ihre nächsten beiden Todesopfer. Bei Schüssen in einer Kneipe in der Kleinstadt Sandviken etwa 160 Kilometer nordwestlich von Stockholm wurden am späten Abend mehrere Menschen verletzt, zwei davon erlagen später ihren schweren Verletzungen, wie die dpa berichtete.

Es handle sich um Männer im Alter von rund 20 und 70 Jahren, teilte die zuständige schwedische Polizei demnach am Freitag mit. Ein weiterer Mann und eine Frau seien verletzt worden, Verdächtige bislang nicht festgenommen worden. 

Nach Informationen des Rundfunksenders SVT und weiteren schwedischen Medien soll die Tat vermutlich erneut Verbindungen ins Bandenmilieu haben. Demnach war einer der Getöteten das Ziel der Täter – der andere Tote und die Verletzten sollen Unbeteiligte gewesen sein.

Neben all dem Blutvergießen habe der „kurdische Fuchs“ auch für diplomatische Verstimmungen zwischen Schweden und der Türkei gesorgt, so die Zeitung. Majid, dessen Familie aus dem Irak stammt, ist demnach in Uppsala aufgewachsen und verbüßte bereits acht Jahre im Gefängnis wegen diverser Drogen- und Gewaltdelikte.

2018 sei er in die Türkei gezogen und habe zwei Jahre später im Rahmen des Programmes „Goldener Pass“ die türkische Staatsbürgerschaft angenommen. Dafür muss man 400.000 Dollar (374.000 Euro) im Land investieren.

Majid, davon gingen die schwedischen Behörden aus, führe seine Bande von Istanbul aus relativ ungestört weiter an, heißt es weiter. International wird er wegen Drogenhandels und Vorbereitung zum Mord gesucht, in Schweden gilt er als einer der meistgesuchten Verbrecher. Da er aber nun türkischer Staatsbürger ist, verweigere Ankara seine Auslieferung.

Die Menschen in Schweden sind geschockt, dass immer öfter Minderjährige in die Gewalt hineingezogen werden. Manche sind erst 14 Jahre und jünger.

Immer mehr Mordanklagen gegen Minderjährige in Schweden

Die Zahl der Mordanklagen gegen Minderjährige ist nach SVT-Berichten in den vergangenen Jahren stark gestiegen. „Das ist natürlich eine tragische Entwicklung – dass Kinder und Jugendliche zu Mördern und auch zu Verbrechensopfern werden in dem Teufelskreis, in den sie hineingezogen werden“, zitierte die dpa Justizminister Gunnar Strömmer.

Der Rundfunksender SVT hatte berichtet, dass die Polizei nicht davon ausgehe, dass der Mord an Milo mit dem Konflikt innerhalb des Foxtrot-Netzwerks zu tun habe, Zusammenhänge mit anderen Gangs aber geprüft würden. Staatsanwältin dos Santos wollte sich dem Bericht zufolge nicht dazu äußern, mit welchem Bandenkonflikt der Mord an dem 13-Jährigen in Verbindung gebracht wird.

Der Polizeibeamte Jale Poljarevius sagte einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge im Rundfunk: „Wir sehen, dass die Gewalt definitiv gröber geworden ist.“ Es sei unglaublich, dass ausgerechnet ein Land wie Schweden so etwas erleben müsse.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Aber das ist die düstere Realität, der wir ins Auge blicken und die wir mit allen Mitteln bekämpfen müssen.“ Als Geheimdienstchef in der Polizeiregion Mittelschweden leitet er eine Einheit, die sich explizit mit den Gangs befasst.

Der Kriminologe Christoffer Carlsson von der Universität Stockholm sagte der dpa: „Derzeit befinden sich die kriminellen Netzwerke in einer sehr gewaltsamen, eskalierenden Phase.“ Die Gangs seien dazu übergegangen, auch Angehörige von Bandenmitgliedern anzugreifen.

„Wenn es schwierig ist, an die Mitglieder heranzukommen, dann werden sie über Verwandte angegriffen“, sagte Carlsson. „Es ist eine schreckliche Entwicklung, aber nicht ganz unerwartet.“ (lem)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false