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Während im vergangenen Sommer die Eckpunkte zum Selbstbestimmungesetz vorgestellt wurden, fand eine Demonstration statt.

© IMAGO/Jürgen Heinrich

Gefährdung von Schutzräumen?: Das sagen Frauenverbände zum Selbstbestimmungsgesetz

Von der Trans-Community gab es viel Kritik am Gesetzentwurf. Nun beziehen Verbände wie die Frauenhauskoordinierung Stellung – auch zum Hausrecht.

Rund drei Wochen hatten Verbände Zeit, sich zum Selbstbestimmungsgesetz zu äußern, das die Änderung des Geschlechtseintrages vereinfachen soll. Die Frist ist jetzt abgelaufen. Dass Sven Lehmann als Queerbeauftragter der Bundesregierung Einwände vorbringen will, hatte er bereits in einem Interview mit dem Tagesspiegel angekündigt.

Und was sagen die Verbände? Erhellend sind die Stellungnahmen von einigen Frauenverbänden - auf die vermeintliche Gefährdung von Frauenschutzräumen durch das Gesetz konzentriert sich die öffentliche Debatte inzwischen.

Besagte Organisationen kommen jetzt zu eindeutigen Urteilen: Mit der Wirklichkeit habe das, was vor allem in den sozialen Medien als Befürchtung kolportiert wird, nichts zu tun. So der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff), der bundesweit 214 Einrichtungen vertritt. „Das SBGG stellt die Ausgestaltung von Schutzräumen nicht infrage“, stellt der bff klar. Aus seiner Sicht brauche es daher „keinen Verweis auf das Hausrecht und die Regelungen im AGG im vorliegenden Referentenentwurf“.

Und weiter: Statt trans Frauen „pauschal als Gefahr für die Sicherheit von cis Frauen und Frauenräumen zu sehen, sollten trans Personen auch als besonders vulnerable Gruppe und als Betroffene sexualisierter Übergriffe wahrgenommen werden, die vor allem auch im öffentlichen Raum Beschimpfungen und Beleidigungen ausgesetzt sind“.

Verweise auf das Hausrecht seien „rechtlich überflüssig“

Ebenso die Frauenhauskoordinierung. „In der Tat ist uns aus unserer Mitgliedschaft kein einziger Fall bekannt, in dem trans* Frauen ein Frauenhaus missbräuchlich genutzt haben oder dort gewalttätig geworden wären - und zwar obwohl trans*Frauen schon seit vielen Jahren regelmäßig und ohne großes Aufheben Schutz in Frauenhäusern finden. Das ist keineswegs eine durch das Selbstbestimmungsgesetz neu geschaffene Situation“, teilt diese auf Anfrage mit.

Für das Ausüben von Gewalt benötigt man keine Änderung des Geschlechtseintrags in der Personenstandsurkunde.

Maria Wersig, Präsidentin des Bundes deutscher Juristinnen

Ob ein bestimmtes Frauenhaus für eine gewaltbetroffene Frau und ihre Kinder die adäquate Anlaufstelle ist und passende Unterstützung bieten kann, werde von den Fachkräften vor Ort stets im Einzelfall entschieden, heißt es in der Stellungnahme der Organisation. Dies gelte unterschiedslos für die Aufnahme von cis Frauen wie von trans* Frauen oder nicht-binären Menschen. Umgekehrt erhalte niemand allein aufgrund des Frauseins automatisch Zugang zu einem Frauenhaus.

Lisa Paus Bündnis und Marco Buschmann stellen das Eckpunktepapier zum Selbstbestimmungsgesetz vor.
Lisa Paus Bündnis und Marco Buschmann stellen das Eckpunktepapier zum Selbstbestimmungsgesetz vor.

© IMAGO/Jürgen Heinrich

Für „rechtlich überflüssig“ hält die Verweise auf das Hausrecht, die Bewertung sportlicher Leistungen und medizinischer Maßnahmen auch der Bund deutscher Juristinnen, der sich für feministische Anliegen auf seinem Themenfeld einsetzt. „Für das Ausüben von Gewalt benötigt man keine Änderung des Geschlechtseintrags in der Personenstandsurkunde“, sagt Präsidentin Maria Wersig.

Dreimonatige Karenzzeit sollte gestrichen werden

Die in der Öffentlichkeit debattierten Drohszenarien und Missbrauchsmöglichkeiten würden „nicht auf empirischen Anhaltspunkten beruhen“. Das Ziel des Gesetzes, den Geschlechtseintrag einfacher ändern zu können, begrüßen die drei genannten Frauenverbände ausdrücklich.

Dass trans Verbände wie die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität oder der BV Trans* eine Reihe von Kritikpunkten haben, wurde in den vergangenen Wochen bereits deutlich. Auch sie fordern, den besagten Absatz zum Hausrecht und die dreimonatige Karenzzeit zu streichen – und ebenso eine weitere „Bedenkfrist“, nämlich das einjährige Verbot, den Geschlechtseintrag erneut zu ändern.

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In der Realität würde es übereilte Änderungen nicht geben, nicht zuletzt, weil im Nachhinein zahlreiche andere Dokumente geändert werden müssten und die betreffenden Personen beruflich und privat vielen Nachfragen ausgesetzt seien: „Dem setzt sich keine Person ohne längere Überlegung aus“, heißt es beim BV Trans*. Weitere Themen, die die Verbände ansprechen, sind unter anderem Regeln zur Elternschaft und das neu gefasste Offenbarungsverbot.

Trotz aller Kritik würdigen die trans Verbände das Vorhaben auch. Es solle „betont werden, dass die Einführung eines Selbstbestimmungsgesetzes eine historische Chance ist, um die Benachteiligung und Pathologisierung von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen abzubauen“, schreibt etwa der BV Trans*.

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