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Elena Lazutkina und Marina Aleksandrova in ihrem Atelier in Berlin.

© Privat

Queere Künstlerinnen aus der Ukraine in Berlin: „Wir wollen Freiheitsgeschichten erzählen“

Elena Lazutkina ist mit ihrer Partnerin aus Kiew nach Berlin geflohen. Hier hat sie jetzt ein Atelier eröffnet. Ein Gespräch über ihre künstlerische Arbeit - und LGBT-Akzeptanz in Deutschland und der Ukraine.

Vor genau sechs Monaten verließ die Künstlerin Elena Lazutkina ihre Heimat Kiew, um dem Krieg zu entkommen, und ging nach Berlin. Sie hatte sich gründlich auf die Reise vorbereitet, denn sie wusste, es würde lange dauern, bis sie nach Hause zurückkehrt.

Elena verpackte ihre eigenen Werke und die anderer ukrainischer Künstler in ihrer Privatsammlung. Die Künstlerin hoffte, eines Tages eine Ausstellung zu organisieren und sie dem europäischen Publikum zu zeigen. Einige der Werke verpackte sie besonders sorgfältig - denn sie wurden von ihrer Partnerin Marina Aleksandrova geschaffen.

Marina war bereits früher - im März, direkt zu Beginn des Krieges - nach Berlin gegangen. Seitdem träumten die beiden von einem Wiedersehen in Berlin. Elena kümmerte sich vor ihrer Abfahrt indes nicht nur um Kunstwerke, sondern auch um heimatlose Tiere, von denen sie viele aufgenommen hatte. Selbst für einen Löwen fand sie jetzt eine neue Heimat (diese Geschichte hat der Tagesspiegel hier beschrieben).

Wie ergeht es den beiden heute? Die Frauen haben zwar noch immer keine gemeinsame feste Wohnung in Berlin gefunden, aber sie mieten getrennte Zimmer. Vor kurzem haben sie ihr eigenes kreatives Atelier erhalten, in dem sie nun mit den Vorbereitungen für Kunstausstellungen beginnen. Elena Lazutkina spricht darüber, wie es dem queeren Paar in Berlin geht. Ihre Arbeit wird unterstützt durch den „Women in Media and Rainbow Beyond Borders Fund“ aus Polen.

Wie haben Sie es geschafft, Ihr eigenes Studio in Berlin zu bekommen?
Wir arbeiten nun schon seit einigen Monaten mit Lettretage zusammen. Ein wunderbarer Mitarbeiter hilft uns sehr bei organisatorischen Fragen. Er hat uns geholfen, einen Zuschuss für die Räumlichkeiten des Kreativstudios zu bekommen. Wir haben das Auswahlverfahren des Fördermittelgebers Kulturraum Berlin GmbH erfolgreich bestanden. Damit ist es der erste Berliner Kunstraum unseres Kreativduos LaPl und wir freuen uns, diesen hier zu gestalten.

Sie haben es bereits geschafft, den Raum mit dem Geist der ukrainischen Kunst zu füllen. Es gibt hier so viele Dinge: Fotos, Drucke, Gemälde, Poster. Wie würden Sie Ihre kreativen Leitlinien, Ihre künstlerische Idee beschreiben?
In erster Linie planen wir Fotoausstellungen und die Gestaltung von Kunstobjekten mit Polaroidfotos. Wir wollen auch eine Reihe von Vernissagen veranstalten. Da ich viele andere Kunstobjekte in meiner Sammlung habe, wird es wohl noch weitere Projekte geben.

Unsere Werkstatt ist in Zonen unterteilt. Es gibt einen Bereich für meine Arbeit und einen Bereich für Marinas Arbeit. Dann gibt es einen Bereich für unsere allgemeinen Werke und einen Bereich für andere ukrainische Künstler. Alles ist da und in den nächsten Monaten wollen wir uns in mehreren Projekten dem deutschen Publikum vorstellen. Wir haben bereits einige Anträge an Förderorganisationen geschickt und warten auf die Ergebnisse. Einige unserer Projekte umfassen LGBT-Themen. Wir sind gerade im Gespräch mit einer der Organisationen über eine Partnerschaft zu einem Projekt.

Was wird das Thema dieses Projekts sein?
Es handelt sich um „Freiheitsgeschichten“ von neun erfolgreichen Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten Karriere gemacht haben, indem sie sich nach dem Vorbild von Männern positionierten. Wir hatten das Projekt bereits in der Ukraine konzipiert, aber leider hatten wir keine Zeit, es zu präsentieren. Wir haben diese Figuren aufgrund ihrer neuen, für Frauen untypischen Berufe ausgewählt. Um genau zu sein: verboten.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Zu unseren Heldinnen gehört die Engländerin Margaret Anne Bulkeley, die sich zu Lebzeiten als James Barry vorstellte. Eine hervorragende Chirurgin, diente in der Armee, führte viele nützliche Operationen durch, darunter einen der ersten Kaiserschnitte der Welt, dank dessen eine Mutter und ihr Kind gerettet wurden. Über die Geschlechtsidentität ist spekuliert worden – auf jeden Fall trat Margaret/James das ganze Leben lang als Mann auf. Als Margaret wäre ein Medizinstudium und eine Karriere unmöglich gewesen. Das Projekt hat für uns eine besondere Bedeutung: Auch in der Ukraine konnten wir uns nicht immer frei fühlen.

Und wie fühlen Sie sich in Berlin? Ist die Wahrnehmung lesbischer Paare in der Ukraine und in Deutschland unterschiedlich?
Zu Hause fühlten wir uns sicherlich nicht benachteiligt. Aber wir wurden als Paar von der Gesellschaft nicht ernst genommen. Die Leute dachten, es sei nur eine vorübergehende Sache. Angeblich würden wir uns nach einer Weile Männer suchen. Natürlich haben wir nicht versucht, die Einzelheiten zu erklären. Niemand hätte uns mit einem normalen Ehepaar gleichgesetzt. In Deutschland ist die Gesellschaft fortschrittlicher in Bezug auf unsere Einstellungen und respektiert unsere Entscheidungen. 

Warum glauben Sie das?
Es gibt viele LGBT-Räume, in denen wir Partner und Kollegen finden und neue und nützliche Kontakte knüpfen können. Wir waren überrascht, dass wir als queeres Paar von der Organisation Quarteera unterstützt wurden. In Deutschland gibt es ein Gesetz, das gleichgeschlechtliche Paare mit gewöhnlichen Paaren gleichstellt, so dass wir als verheiratetes Paar Anspruch auf eine Sozialwohnung haben. Dies wird unser erstes Familienhaus sein.

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