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Erinnern am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen im Berliner Tiergarten.

© Doris Spiekermann-Klaas/Tagesspiegel

Holocaust-Erinnerung: Schäuble lehnt Petition für homosexuelle NS-Opfer ab

Der Bundestag soll im kommenden Jahr der homosexuellen NS-Opfer gedenken: Das fordert eine Petition. Bundestagspräsident Schäuble will das prüfen - aber erst für die Zeit nach 2020.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble lehnt es ab, im kommenden Jahr am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag erstmals auch an die homosexuellen Opfer des Holocaust zu erinnern. Eine entsprechende Petition hatte zu Beginn des Jahres der Schriftsteller Lutz van Dijk initiiert. Diese Petition hat Schäuble nun im Namen des Bundestagspräsidiums zurückgewiesen - geprüft werden soll das frühestens für die Jahre nach 2020.

Für 2019 habe sich bereits ein schon früher angefragter Überlebender der ersten Generation "erboten, die Gedenkrede zu halten", heißt es in einer Antwort Schäubles an van Dijk, die dem Tagesspiegel vorliegt. Dem habe das Bundestagspräsidium zugestimmt. Für 2020 werde der Bundespräsident gefragt, der als Begründer des Gedenktages "traditionell einmal in seiner Amtszeit die Gedenkrede hält".

Noch nie wurde im Bundestag der homosexuellen NS-Opfer gedacht

Gedenktag für die NS-Opfer ist der 27. Januar - an jenem Tag im Jahr 1945 befreite die Rote Armee Auschwitz. Seit 1996 gilt der Tag in Deutschland als offizieller Gedenktag, 2005 wurde er von der UNO weltweit zum "International Holocaust Remembrance Day" erklärt. An dem Tag findet im Bundestag immer eine Gedenkstunde mit einem prominenten Redner statt. Noch nie habe der Bundestag aber an jenem Tag dezidiert an sexuelle Minderheiten erinnert, die von den Nazis verfolgt und ermordet wurden, hieß es in der Petition, die 84 KZ-Überlebende und Historikerinnen und Historiker unterzeichnet hatten. Daher solle 2019 erstmals auch homosexueller Männer (unter ihnen vor allem der KZ-Häftlinge mit dem rosa Winkel), aber auch lesbischer Frauen und anderer aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität Benachteiligte und Ausgegrenzte erinnert werden.

Lutz van Dijk hatte in einem Beitrag für den Tagesspiegel an die Schicksale vieler schwuler Männer in der NS-Zeit erinnert: Die KZ-Häftlinge mit dem rosa Winkel seien zwar oft nicht ausdrücklich für die „Vernichtung“ im Gas vorgesehen, dennoch kamen die meisten schon noch kurzer Zeit im Lager um, wie Recherchen in Auschwitz ergaben. Oft wisse man aber noch gar nicht so viel über die Opfer, die auch im nachhinein von der Forschung marginalisiert worden seien. Das gelte umso mehr noch für die Schicksale lesbischer Frauen im Nationalsozialismus.

Kann der Bundespräsident seine Rede um ein Jahr verschieben?

Schäuble stellt nun in seiner Antwort in Aussicht, das Gedenken können zu einem späteren Zeitpunkt, also nach 2020, erfolgen. Das Anliegen sei in das "Verzeichnis eingegangener Vorschläge aufgenommen worden und wird bei zukünftigen Abwägungs- und Entscheidungsprozessen einen prominenten Platz einnehmen", schreibt Schäuble in seiner Mail.

Für Lutz van Dijk ist das kein Trost. Homosexuelle seien die einzigen Opfer der NS-Zeit, die auch nach dem 8. Mai 1945 verfolgt wurden, heißt es in einem Antwortschreiben an Schäuble. "Das sind Folgen des Nationalsozialismus, die für diese Opfergruppe der sexuellen Minderheiten nicht durch eine Aufzählung unter anderen auch nur im Ansatz verständlich werden." Van Dijk bittet nun das Bundestagspräsidium beim Bundespräsidenten anzufragen, ob er seine für 2020 geplante Rede um ein Jahr verschieben kann. Wenn im Jahr 2020 stattdessen der homosexuellen NS-Opfer gedacht werden könne, sei das nicht zuletzt auch eine Ermutigung für jene, "die heute aus ähnlichen Gründen verfolgt werden".

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