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Wahlprogramm der Union: CDU und CSU wollen Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen
Seit dem 1. November ist es leichter, den Geschlechtseintrag und den Vornamen zu ändern. Die Union will das bei einem Wahlsieg zurücknehmen – und fordert zudem ein Genderverbot in bestimmten Bereichen.
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Gerade einmal sechs Wochen ist das neue Selbstbestimmungsgesetz in Kraft. Doch es soll, wenn es nach der Union geht, wieder abgeschafft werden. Das haben CDU und CSU in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm für die Bundestagswahl festgelegt, wie aus einem Entwurf hervorgeht, der dem Tagesspiegel vorliegt. Am Dienstag wollen die Spitzen beider Parteien das Papier beschließen.
In dem 77-seitigen Dokument heißt es: „Wir schaffen das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel wieder ab.“ Begründet wird das mit dem Kinder- und Jugendschutz. Das Gesetz erlaube „bei Kindern und Jugendlichen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen auch ohne Gutachten oder Beratung und gerichtliche Entscheidung zu ändern“. Das lehnen CDU und CSU „entschieden ab“.
In der „altersbedingt volatilen Lebensphase der Pubertät“ müsse ausgeschlossen werden, „dass Persönlichkeitszweifeln mit einem leichtfertigen Geschlechtswechsel begegnet wird“, schreiben die beiden Parteien. „Es braucht in jedem Fall unabhängige psychologische Gutachten.“ Das Erziehungsrecht der Eltern dürfe nicht untergraben werden.
Auch lehnen CDU und CSU operative Eingriffe vor der Volljährigkeit ab. Was genau an die Stelle des Selbstbestimmungsgesetzes rücken soll und ob die geforderten Änderungen dann nur Jugendliche oder auch Erwachsene betreffen sollen, schreiben die Parteien nicht.
Gerade in der altersbedingt volatilen Lebensphase der Pubertät muss ausgeschlossen werden, dass Persönlichkeitszweifeln mit einem leichtfertigen Geschlechtswechsel begegnet wird. Es braucht in jedem Fall unabhängige psychologische Gutachten.
Aus dem Entwurf des Wahlprogramms von CDU und CSU
Das Selbstbestimmungsgesetz erleichtert es seit dem 1. November, den Geschlechtseintrag und den Vornamen auf dem Amt zu ändern. Trans, inter und nicht-binäre Menschen müssen seither nur noch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt abgeben. Die Angabe kann in weiblich, männlich oder divers geändert oder alternativ gestrichen werden. In dem Zusammenhang kann der Name angepasst werden – muss er aber nicht.
Das Gesetz ersetzt das bislang geltende aufwendige und für viele als entwürdigend angesehene Verfahren nach dem mehr als 40 Jahre alten Transsexuellengesetz: Eine Gerichtsentscheidung und zwei kostspielige Sachverständigengutachten, die bisher erforderlich waren, braucht es nicht mehr. Immer wieder hatte auch das Bundesverfassungsgericht das Transsexuellengesetz in Teilen für verfassungswidrig erklärt und auf die demütigende Situation für Betroffene hingewiesen.
CDU und CSU lehnten, ebenso wie die AfD und das BSW, die Reform jedoch ab und stimmten im Bundestag dagegen. Als Gegner des Selbstbestimmungsgesetzes gilt auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Es gebe einen staatlichen Schutzauftrag insbesondere für Kinder und Jugendliche, sagte Merz etwa im September 2023 beim Bundesdelegiertentag der Frauen Union. Es dürfe nicht in der Beliebigkeit von Eltern und Kindern liegen, „das einfach mal eben so neu zu entscheiden und dies möglicherweise fast jedes Jahr“, sagte Merz. Das Geschlecht sei nicht ein rein soziales Konstrukt, und es sei nicht beliebig und frei wählbar.
Die Lesben und Schwulen in der Union (LSU), die Interessenvertretung queerer Menschen in CDU und CSU, sprachen sich hingegen, mit Einschränkungen, für Vereinfachungen bei der Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen aus.
CDU und CSU wollen Genderverbot „an Schulen und Universitäten, im Rundfunk und der Verwaltung“
Ein Zeichen gegen Vielfalt will die Union auch beim Thema Sprache setzen und fordert ein Genderverbot. „Wir setzen uns dafür ein, dass im öffentlichen Raum – an Schulen und Universitäten, im Rundfunk und der Verwaltung – auf die Gendersprache verzichtet wird“, heißt es im Entwurf des Wahlprogramms unter der Überschrift „Deutsch ohne Beipackzettel und Bevormundung“.
Einen „Gender-Zwang aus ideologischen Gründen“ lehnen die beiden Parteien ab, „weil er Barrieren errichtet, Menschen ausgrenzt und bevormunden will“, wie es weiter heißt.
Zu einer Erweiterung des Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal sexuelle Identität, um queere Menschen vor Diskriminierung zu schützen, findet sich im Wahlprogramm hingegen nichts. Eine entsprechende Änderung fordert unter anderem Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU).
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