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Welche Daten sind wirklich aussagekräftig, um das richtige Krankenhaus auswählen zu können?

© mauritius images/Wavebreakmedia

Wollen Sie wissen, wie gut Ihr Krankenhaus ist?: Patienten sollen Kliniken besser vergleichen können

Bundeskabinett verabschiedet Krankenhaustransparenzgesetz. Zentrales Verzeichnis mit Qualitätsdaten soll 2024 starten. Kritik kommt von Krankenhäusern und der Selbstverwaltung.

„Ich habe Krebs, die Prostata muss raus. Kennst Du ein gutes Krankenhaus?“ Bange Fragen wie diese, gestellt an Hausarzt, Freunde und Verwandte, zeigen vor allem eines: In Deutschland fehlt es an patientenverständlichen Informationen, wie gut die Krankenhäuser behandeln, wie erfahren sie sind und wie erfolgreich ihre Therapien.

Bleiben wir beim Beispiel Entfernung der Prostata, dann interessieren die betroffenen Männer im Grunde genommen nur zwei Kennzahlen: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich nach der OP mein Wasser nicht mehr halten kann und wie wahrscheinlich ist es, dass ich danach keine Erektion mehr bekommen kann? Doch solche Daten bekommen sie derzeit nicht, schon gar nicht für jedes Krankenhaus, das den Eingriff vornimmt, um es mit anderen vergleichen zu können. Gleiches gilt für viele andere Operationen und Behandlungen.

Aber das soll sich bald ändern. Patientinnen und Patienten können nach dem Willen des Bundesgesundheitsministeriums ab 2024 in einem Onlineverzeichnis Krankenhäuser nach verschiedenen Kriterien vergleichen und das beste unter ihnen auswählen. Das zumindest ist das Ziel des Krankenhaustransparenzgesetzes, das das Bundeskabinett am gestrigen Mittwoch auf den Weg gebracht hat und das nun in den Bundestag kommen wird.

Ein laienverständlicher Vergleich wäre ein Fortschritt

Das zentrale Verzeichnis soll Informationen „in leicht verständlicher, interaktiver Form über das Leistungsangebot am jeweiligen Krankenhausstandort“ enthalten, unter anderem die Behandlungszahlen für bestimme Behandlungen, die Personalausstattung und ausgewählte Qualitätsergebnisse, die der Gesetzentwurf „patientenrelevant“ nennt.

Die Kritiker vergessen, dass die Qualitätsberichte ursprünglich nicht für die breite Öffentlichkeit konzipiert waren.

Josef Hecken, Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses

Gerade Letzteres wäre in der Tat ein Fortschritt gegenüber den jetzt schon existierenden Qualitätsberichten, die die Krankenhäuser jährlich vorlegen müssen. Die darin enthaltenen Qualitätsdaten sind alles Mögliche, nur nicht sehr oft patientenrelevant und noch seltener laienverständlich. Ganz abgesehen davon, dass die Berichte auf manchmal 200 und mehr PDF-Seiten vor allem eines liefern: Datenfriedhöfe.

„Ein Teil der Qualitätssicherung ist gerade, die Öffentlichkeit zu informieren – nur muss diese Information relevant, belastbar und aussagestark sein“, sagt Josef Hecken vom Gemeinsamen Bundesausschuss.
„Ein Teil der Qualitätssicherung ist gerade, die Öffentlichkeit zu informieren – nur muss diese Information relevant, belastbar und aussagestark sein“, sagt Josef Hecken vom Gemeinsamen Bundesausschuss.

© picture alliance / Soeren Stache

Schon ab April des kommenden Jahres soll das Transparenzverzeichnis online gehen – vorausgesetzt, dass das Gesetz bis dahin alle Hürden genommen hat. Denn die Kritik an ihm ist groß. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft bemängelt, dass die in dem Verzeichnis auch geplante Nennung des jeweiligen Versorgungslevels eines Krankenhauses bei den Patienten zu falschen Schlussfolgerungen führe: „Für die Patientinnen und Patienten heißt die Botschaft dann, dass sie besser ein Krankenhaus eines höheren Levels aufsuchen sollten, obwohl ihnen im Level-1-Haus eigentlich hervorragende Behandlungsqualität geboten worden wäre.“

1893
Krankenhäuser gab es im Jahr 2022 in Deutschland.

Auch der mächtige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das Selbstverwaltungsgremium, in dem unter anderem Vertreter der Krankenkassen und der Krankenhäuser entscheiden, welche Leistungen die gesetzlichen Kassen übernehmen, äußert sich ablehnend zum Inhalt des Gesetzes.

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Vertreter des Gremiums sorgen sich darum, dass so kein fairer Umgang mit den Krankenhäusern möglich sei. So warnt Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, gegenüber dem Tagesspiegel vor „schwerwiegenden Mängeln und Regelungslücken“. „Ein Teil der Qualitätssicherung ist ja gerade, die Öffentlichkeit zu informieren – nur muss diese Information inhaltlich dann auch relevant, belastbar und aussagestark sein.“ Das sei im bisherigen Entwurf des Gesetzes nicht gegeben.

G-BA fordert Rücksicht auf die Interessen der Kliniken

„Eine größere Transparenz kann die Auswahlentscheidung von Patientinnen und Patienten beeinflussen – gerade darum braucht es belastbare und für eine solche Wahl zwischen Krankenhäusern geeignete Qualitätsaussagen, die selbst in einem möglichen Rechtsstreit bestehen“, sagt Hecken. „Denn Krankenhäuser haben berechtigte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen, das kann man nicht einfach beiseite wischen.“

Die Frage, wie man der Öffentlichkeit am besten mehr Transparenz bieten kann, ist schon alt. In anderen Ländern greift man zu vermeintlich einfacheren Indikatoren, um die Qualität in Krankenhäusern zu messen und diese öffentlich zu vergleichen, wie beispielsweise die Quote von in der Klinik verstorbenen Patienten. Deutschland dagegen geht den aufwendigeren Weg mit der Suche nach den vermeintlich perfekten Qualitätsindikatoren, natürlich risikoadjustiert, alle Eventualitäten einschließend und statistisch hyperkorrekt. Eine Risikoadjustierung soll einen fairen Vergleich der Qualität von Krankenhäusern ermöglichen, die verschieden kranke Patienten versorgen. Mehr als 20 Jahre dauert diese Suche nun schon an, und ob das neue Transparenzgesetz daran etwas ändert, ist zumindest umstritten.

Bisherige Qualitätsberichte sind schwer verständlich

Es sei eben schwierig, die richtigen Parameter auszuwählen, begründet Josef Hecken die langwierige Debatte. Das Hauptziel der Qualitätssicherung sei zudem nicht, Transparenz zu schaffen, sondern die Qualität der Versorgung zu verbessern. „Natürlich ist eine der Säulen hierbei die Information der Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Qualität“, sagt der G-BA-Vorsitzende. „Eine weitere Säule ist aber das Lernen aller Beteiligten, also der Krankenhäuser, Praxen und Krankenkassen, um die Qualität in der Patientenversorgung zu verbessern.“

Dass die Qualitätsberichte der Krankenhäuser schwer verständlich sind, weiß auch der G-BA. „Dabei vergessen die Kritiker, dass diese Berichte ja ursprünglich nicht für die breite Öffentlichkeit konzipiert waren“, sagt Hecken. „Die Ergebnisse unserer Datenauswertung sind vielmehr eine wichtige Rückmeldung für die Kliniken, die selbst ein großes Interesse daran haben, im Vergleich zu anderen keine schlechteren Ergebnisse zu haben.“ Fazit: Für den G-BA hat ein laienverständlicher und öffentlicher Vergleich der Behandlungsqualität im Krankenhaus also eher nicht die oberste Priorität.

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