zum Hauptinhalt
Bundesjustizminister Marco Buschmann trifft die Generalstaatsanwältin von Israel, Gali Baharav-Miara, in Jerusalemx

© Imago/photothek/Leon Kuegeler

Justizminister Buschmann in Israel: Es darf kein Business as usual geben

Die Bundesregierung hat sich noch nicht auf eine Position im Umgang mit Israels rechtsextremer Regierung geeinigt. Da sendet ein Standard-Besuch das falsche Signal.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Business as usual gibt es derzeit mit der israelischen Regierung nicht. Die rechtsextemistische Regierung, in der radikale Siedler das Sagen haben, will die Gewaltenteilung aufheben, die Palästinensergebiete vollständig besiedeln, Israelis unter bestimmten Umständen die Staatsbürgerschaft entziehen.

Mit der geplanten Justizreform bewegt sich Israel in Richtung „illiberale“ Demokratie à la Ungarn. Der Umgang mit solchem Extremismus bereitet dem Westen Kopfzerbrechen und stellt ihn vor ganz neue Herausforderungen. Die Bundesregierung hat sich wohl noch nicht darüber verständigt, was das aus ihrer Sicht für die deutsch-israelischen Beziehungen bedeutet.

Da holt der liberale Bundesjustizminister Marco Buschmann seine wegen Corona verschobene Israel-Reise nach, um eine Ausstellung zum Umgang seines Ministeriums mit der eigenen NS-Vergangenheit zu eröffnen. Als sei nichts passiert, als hätte sich der Kontext nicht radikal verändert.

Ein Crash-Kurs in Sachen Demokratie reicht nicht

Das ist misslich und war nicht nötig. Denn auch wenn Buschmann in seiner Rede an der Universität von Tel Aviv einen allgemein gehaltenen Crash-Kurs in Sachen Demokratie einbaut: Das nutzt vielleicht seinem Gewissen, aber die radikalen Kräfte der Regierung, die auch Premier Netanjahu vor sich hertreiben, erreicht er damit sicher nicht. Sie haben ein ganz anderes Projekt, das sie jetzt Schritt für Schritt umsetzen.

Leider ließen sich auch viele Mitglieder der juristischen Fakultät der Tel Aviver Universität beim Buschmann-Termin entschuldigen: Sie mussten am Montag stattdessen zur Demonstration vor die Knesset, wo am Abend die erste Entscheidung in Sachen Politisierung der Richterauswahl fiel.

Natürlich ist es für einen deutschen Minister besonders heikel bis unmöglich, israelische Politiker zu belehren. Aber das muss auch niemand. Es geht vielmehr darum, klar und deutlich aufzuzeigen, welche Konsequenzen bestimmte Politik haben kann. Was die Kosten sind. Das darf Deutschland und muss es sogar.

Das muss nicht nur vor laufenden Kameras geschehen. Aber auch in seinem Gespräch mit seinem Amtskollegen Yariv Levin kann Buschmann kaum im Namen der Bundesregierung warnen, was der eingeschlagene Kurs für die deutsch-israelischen Beziehungen bedeuten kann – wenn Berlin noch gar keine Position ausgearbeitet hat.

Das sollte sie aber schnell tun, denn die neue Regierung setzt in Rekordzeit um, was sie angekündigt hat – ob bei der Legalisierung jener Siedlungen, die selbst nach israelischem Recht bisher illegal waren. Oder bei der Richterauswahl, wo die Politik mehr Einfluss bekommt und dem Gesetzesvorhaben, dass das Parlament Entscheidungen des Oberstern Gerichtshofs mit einfacher Mehrheit widerrufen kann.

Beides wurde am Montag in erster Lesung im Parlament gebilligt. Die Hoffnung, dass es sich bei den Ankündigungen um Wahlkampfslogans gehandelt hat, die nicht unbedingt umgesetzt werden, hat sich zerschlagen.

Daher war es falsch, dass Buschmann nun als erster Bundesminister die neue israelische Regierung zu einem Standard-Besuch aufsucht. Es wäre möglich gewesen, die Ausstellungseröffnung noch einmal zu verschieben – mit einem gesichtswahrenden Grund.

Aber warum eigentlich? Man hätte auch signalisieren können, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt ist. Weder vor Ort, wo Buschmann eigentlich bei der Demonstration hätte mitlaufen müssen. Noch zu Hause, wo die Regierung noch keine Position abgestimmt hat. Denn Business as usual ist im Augenblick im Umgang mit Israel nicht genug.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false