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Ein zerstörtes Gebäude in Schebekino.

© imago/Alexander Ryumin

„Die Deutschen wollen in Russland eindringen“: Wie der Kreml Propaganda macht – auch nach Angriffen auf russischem Boden

Zehntausende Bewohner der russischen Stadt Schebekino mussten ihr Zuhause nach Angriffen verlassen. Vom Krieg sind sie offenbar trotzdem noch überzeugt.

Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Informationskrieg – und das russische Staatsfernsehen arbeitet seit mehr als einem Jahr auf Hochtouren, um ihn bei der eigenen Bevölkerung zu gewinnen.

Zuletzt erklärte ein Professor namens Dmitry Evstafiev der russischen Zuschauerschaft mehrere Minuten lang, dass die Deutschen in Russland eindringen wollten. „Der deutsche Bürger will zu uns kommen, uns ausrauben und töten“, sagte er vor laufender Kamera. Die amerikanische Journalistin Julia Davis hat den Clip übersetzt und auf YouTube hochgeladen.

„Wir werden von einer Macht bedrängt, die über 85 Prozent der Informationsinfrastruktur bedrängt“, behauptet Evstafiev darin weiter. Diese Macht, also Deutschland und der gesamte Westen, habe sich in den vergangenen 80 Jahren nicht verändert.

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Ein Bild, das in der russischen Propaganda keineswegs neu ist, sondern im Gegenteil seit Kriegsbeginn zur Rechtfertigung der Invasion dient: Russland werde von einer faschistischen Weltordnung bedroht. Moskau habe keine andere Wahl, als militärisch einzugreifen.

Die Beliebtheit von Präsident Wladimir Putin spricht dafür, dass die Propaganda ihren Zweck erfüllt: Im März dieses Jahres lagen die Zustimmungswerte für den Kreml-Chef bei 80 Prozent, besagt eine Umfrage des letzten unabhängigen Soziologie-Instituts Lewada.

Doch was, wenn es auch in Russland zu Kämpfen kommt? Tagelang wurde die russische Grenzstadt Schebekino beschossen von Kreml-feindlichen Kämpfern. Die Regierung in Kiew streitet nach wie vor ab, etwas mit den Angriffen zu tun zu haben.

Fast alle Bewohner:innen der russischen Kleinstadt sind inzwischen geflohen. Russische Beamte sprechen von 40.000 Menschen, die ihr Zuhause verlassen haben. Mehr als ein Dutzend Zivilist:innen wurden getötet.

Die Entschlossenheit, der Krieg sei richtig, scheint trotzdem nicht erschüttert. Das analysierte die New York Times (NYT), nachdem sie mit Leuten vor Ort gesprochen hat, die gerade fast alles verloren hatten. Keiner der befragten Russ:innen habe eine Verbindung zwischen ihrer Notlage und den Millionen ukrainischen Geflüchteten hergestellt.

Ein Einwohner, der nach Belgorod geflohen war, kritisierte gegenüber der NYT die Entscheidung, dass die Wagner-Truppe in seiner Stadt nicht eingreifen durfte. Optimistisch sei er aber dennoch: „Ich hoffe, dass unsere Streitkräfte den Faschisten nicht erlauben werden, hier einzudringen.“ Und weiter: „Solange wir Putin haben, wird niemand in der Lage sein, Russland zu erobern. Wenn er nur mit den Generälen umgehen könnte.“

Ähnlich äußerte sich auch ein älterer Mann aus Schebekino, der trotz der Angriffe in seinem Zuhause geblieben sei. „Ich bin nicht wütend. Sie haben ihre Wahrheit. Wir haben unsere Wahrheit. Aber unsere wird sich durchsetzen. Wir glauben an Herrn Putin, der gesagt hat, der Sieg wird mit uns sein“, sagte er der Zeitung.

Etwas Frust, vielleicht auch Unverständnis, scheine sich allerdings dann abzuzeichnen, wenn es um die Berichterstattung des Kremls gehe. Auf allen staatlich kontrollierten Kanälen habe es kaum Sendezeit für die Angriffe im eigenen Land gegeben.

Bei den Menschen in Belgorod sei das nicht gut angekommen, schreibt die NYT. Als würde dieser kleine Teil der Bevölkerung merken, dass sich der Informationskrieg auch gegen sie richten kann.  

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