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© AFP/Ludovic Marin

Nach Unruhen in Frankreich: Macron laviert zwischen dem Druck von Polizei und Linker

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron meldet sich erstmals nach den gewaltsamen Unruhen zu Wort. Kritiker werfen ihm „rechts-autoritäre“ Züge vor.

Unter den vielen Schlagworten, die der so wortreiche französische Präsident bei einem halbstündigen Fernsehinterview am Montag nutzte, stach eines heraus, das er mehrmals wiederholte: „Ordnung, Ordnung, Ordnung“.

Das sei die erste Lektion, die er aus den gewaltsamen Unruhen ziehe, welche vor fast vier Wochen mehrere Nächte lang das Land erschütterten.

Es gelte zudem, wieder Autorität auf allen Ebenen und vor allem in den Familien herzustellen, denn sehr viele Minderjährige beteiligten sich an den Krawallen, so Emmanuel Macron.

Erst spät erwähnt er die Brennpunktviertel

Erst an dritter Stelle nannte er das Ziel, Chancengleichheit in den französischen Städten sicherzustellen und nicht mehr „alle Probleme an Brennpunkten zu konzentrieren“. Doch die Antworten könnten nicht allein vom Staat kommen, mahnte er: „Nur die Nation selbst in ihrem Herzen vermag diese zu geben.“

Es handelte sich um die erste offizielle Wortmeldung des französischen Staatschefs seit den Unruhen. Auf ein Interview am Nationalfeiertag, dem 14. Juli, das die meisten seiner Vorgänger traditionell jedes Jahr gegeben hatten, verzichtete er.

Nun meldete er sich aus dem 16.000 Kilometer entfernten französischen Überseegebiet Neukaledonien. Von dort aus unternimmt er eine einwöchige Reise in der Südpazifik-Region.

Am vergangenen Donnerstag hatte Macron noch seine Regierung leicht umgebildet und Premierministerin Élisabeth Borne im Amt bestätigt. In den 100 Tagen, die er ihr im April nach der Verordnung der umstrittenen Rentenreform gab, um den Blick auf zukünftige politische Projekte zu richten, habe sie ihre Effizienz unter Beweis gestellt, rechtfertigte er seine Entscheidung. Die Bilanz dieser 100 Tage könne sich sehen lassen, von einem „Pakt“ mit den Lehrern bis zu einer Erhöhung des Militärbudgets.

Debatte um U-Haft für Polizisten

Um eine weitere Frage, die Frankreich derzeit umtreibt, kam Macron bei aller Selbstzufriedenheit nicht herum, nämlich jene nach seiner Haltung zu den Ermittlungen gegen vier Polizisten, die während der gewalttätigen Unruhen in Marseille einen 21-Jährigen verprügelt und schwer verletzt haben sollen.

Dass sich einer der Beamten in Untersuchungshaft befindet, kritisierte der Generaldirektor der nationalen Polizei, Frédéric Veaux, in der Zeitung „Le Parisien“. Vor einem möglichen Prozess sei „der Platz eines Polizisten nicht im Gefängnis“, sagte Veaux und provozierte damit eine Welle der Empörung von Vertretern der Justiz, aber auch linken und grünen Politikerinnen und Politikern. Öl ins Feuer goss am Sonntagabend noch der Polizeipräfekt von Paris, Laurent Nuñez, der Veaux auf Twitter recht gab.

Mehrere Dutzend Polizisten demonstrierten in der vergangenen Woche vor dem Justizpalast in Marseille für ihren Kollegen, viele weitere ließen sich krankschreiben. Sie wehren sich gegen den Vorwurf übermäßiger Polizeigewalt, seit der Tod eines 17-Jährigen bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre Ende Juni die Ausschreitungen auslöste. Sie stünden selbst teils extremer Brutalität gegenüber, argumentieren die Beamten.

Macron hat eine Gelegenheit verpasst, sich klar auf die Seite des Rechtsstaates zu stellen, in dem dieselben Regeln für alle gelten.

Mathieu Slama, Essayist und Spezialist für politische Kommunikation 

In dieser heiklen Situation sagte Macron, die Unschuldsvermutung gelte für jeden, während niemand „über dem Gesetz“ stehe. Allerdings betonte er, dass die Polizisten zuletzt mit einer „nie da gewesenen Welle der Gewalt“ zu kämpfen hatten: In vier Nächten seien mehr als 900 Einsatzkräfte verletzt worden, die sich oft unter hohem persönlichen Einsatz für die Sicherheit aller engagierten.

„Macron hat eine Gelegenheit verpasst, sich klar auf die Seite des Rechtsstaates zu stellen, in dem dieselben Regeln für alle gelten“, bedauerte Mathieu Slama, Essayist und Spezialist für politische Kommunikation.

Es handele sich um einen „rechts-autoritären“ Diskurs, der wenig mit Macrons vermeintlichem Liberalismus zu tun habe. Tatsächlich klang vor allem eines durch: dessen Wunsch nach „Ordnung, Ordnung, Ordnung“.

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