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Vor den Toren des Kibbutz Beeri nach der Masseninfiltration durch bewaffnete Hamas-Terroristen aus dem Gazastreifen.

© REUTERS/Amir Cohen

„Großvater holt uns hier raus“: Kleine Lichtblicke bei all dem Horror in Israel

Ein pensionierter General rettet seinen Sohn und dessen Familie nach Stunden im Bunker. Eine 25-Jährige schützt ihren Kibbuz vor Terroristen. Zwei Geschichten über Mut in Israel.

Inmitten all der Augenzeugenberichte und Bilder, die so schrecklich sind, dass man sie kaum mehr aus dem Kopf bekommt, kursieren in Israel auch die ersten Helden-Geschichten.

Sie sind wichtig für all die Beobachter:innen des Kriegs, die mit den Menschen in Israel mitfühlen und Solidarität zeigen. Vor allem aber sind sie wichtig für die Israelis selbst, denen angesichts einer möglichen Bodenoffensive und der verschleppten Geiseln harte Wochen bevorstehen.

Rettung nach 10 Stunden im Bunker

Da ist die Geschichte von dem pensionierten General, der mit einem Auto in einen Kibbuz an der Grenze zum Gaza-Streifen fuhr, um dort seinen Sohn und dessen Familie aus den Fängen der Hamas zu befreien.

Amir Tibon ist Journalist. Er hat die unwahrscheinliche Rettung durch seinen Vater in seiner Zeitung, der israelischen „Haaretz“, veröffentlicht. Tibon lebt mit seiner Familie in Nahal Oz. Der Kibbuz ist nur wenige hundert Meter vom Gaza-Streifen entfernt, näher dran kann man nicht wohnen.

„Was uns an diesen besonderen Ort zog, war der Wunsch nach einem bisschen Abenteuer und Gemeinschaftsleben, aber auch ein bisschen altmodischer Zionismus,“ beschreibt der Autor seine Entscheidung. Die Familie lebt ein idyllisches Leben in dem Kibbuz, trotz der konstanter Bedrohung durch die Nähe zum Gaza-Streifen.

Aber die Informationen, die ich durch sie von der Außenwelt erhielt, machten mir den Ernst unserer Lage bewusst.

Amir Tibon, Journalist

Am Samstag wurde Tibons Frau von dem Pfeifen einer Mörsergranate geweckt. Das Paar lief in den Luftschutzbunker – dem Schlafzimmer der beiden kleinen Töchter. Sie verbrachten Stunden dort, ohne zu wissen, ob Terroristen bereits in ihr eigenes Haus eingedrungen waren.

Journalist Amir Tibon

© PR/Amir Tibon

Per WhatsApp hielt Tibon Kontakt mit seinem Vater und zwei Kollegen von „Haaretz“. „Aber die Informationen, die ich durch sie von der Außenwelt erhielt, machten mir den Ernst unserer Lage bewusst.“ Dass nicht nur Nahal Oz betroffen war, sondern viele Kibbuze, Städte und Armeestützpunkte.

Tibons Töchter, ein und drei Jahre alt, hätten sich heldenhaft verhalten: Sie blieben ruhig, ohne Essen, ohne frische Luft. Plötzlich hätten seine Eltern ihm geschrieben, dass sie sich selbständig mit ihrem Auto auf den Weg machen und in den Kibbuz kommen würden.

Seinen Töchtern sagte Tibon: „Wenn wir ruhig bleiben, kommt euer Großvater und holt uns hier raus“. So zitierte die Zeitung „The Atlantic“, die ebenfalls über die Geschichte berichtet hat, den Autor.

Auf dem Weg Richtung Süden hätten Tibons Eltern verwundete Soldaten aufgegriffen, die seine Mutter ins Krankenhaus nach Ashkelon brachte, schreibt Tibon. Sein Vater aber sei weiter Richtung Nahal Oz gefahren.

Vor dem Kibbuz sei der Vater auf eine Gruppe israelischer Soldaten getroffen. Er sei aus dem Auto gestiegen und hätte den Soldaten geholfen, die Terroristen niederzuschießen, so Tibon.

Ein weiterer pensionierter General, der ebenfalls auf eigene Faust in den Süden Israels gefahren war, um Leben zu retten, habe sich Tibons Vater angeschlossen. Gemeinsam mit israelischen Soldat:innen seien sie in dem Kibbuz von Tür zu Tür gelaufen. Sein Vater habe sechs Terroristen getötet und Dutzende Kibbuznik aus ihren Luftschutzbunkern befreit.

Zum ersten Mal seit dem Morgen brachen wir alle in Tränen aus.

Amir Tibon

Um 16 Uhr hörte die versteckte Familie ein Klopfen an der Tür. Seine Tochter habe sofort gesagt, dass das der Großvater sei. „Zum ersten Mal seit dem Morgen brachen wir alle in Tränen aus,“ schreibt Tibon.

Verteidigung von Nir Am

Wenige Kilometer weiter nördlich, im Kibbuz Nir Am, wurde Inbal Lieberman zur Heldin. Als Koordinatorin des Sicherheitsprotokolls ist sie für die Sicherheit des Kibbuz bis zum Eintreffen von Armee und Polizei zuständig.

Inbal Lieberman, Bewohnerin des Kibbuz Nir Am

© privat

Nach einem Bericht des „Spiegels“ und weiterer Medien soll sie schnell erkannt haben, dass es nicht bei Raketenangriffen der Hamas bleiben würde. Sodann habe sie Waffen an die Mitglieder der schnellen Eingreiftruppe, die aus Bewohnern des Kibbuz besteht, verteilt und mit diesen die Ortschaft verteidigt. Die Hamas-Terroristen seien dann in einen von Lieberman organisierten Hinterhalt gelaufen.

Inbal Lieberman ist eine Heldin!

Israelische Botschaft in Deutschland auf X, ehemals Twitter

Die „Times of Israel“ erzählt die Geschichte etwas anders: Inbal Lieberman und ihr Onkel hätten Terroristen getötet, als diese versuchten, in eine nahe gelegene Hühnerfarm einzudringen. Diese Reaktion sei so wirkungsvoll gewesen, dass die Hamas davon abgelassen habe, in Nir Am einzudringen.

Auch zu den getöteten Hamas-Terroristen kursieren verschiedene Zahlen. Was jedoch feststeht, ist, dass alle Bewohner:innen des Kibbuz unversehrt blieben – im Gegensatz zu den benachbarten Ortschaften.

Wie genau sich die Geschichte abspielte, ist letztlich auch nicht so wichtig. Die junge Frau, die selbst keine Heldin sein möchte, wird längst als Retterin gefeiert. Auf X, vormals Twitter, greift auch die israelische Botschaft in Deutschland die Geschichte auf: „Inbal Lieberman ist eine Heldin!“

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