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Abaya-Trägerin in Nantes: In der ersten Schulwoche waren landesweit rund 300 Schülerinnen in dem Überkleid erschienen.

© AFP/LOIC VENANCE

Islamische Kleidung in Frankreichs Schulen: Abaya-Verbot bestätigt – die Kritik bleibt

Während Frankreichs höchstes Gericht die Klage eines Vereins zum Schutz der Rechte von Muslimen zurückwies, melden Soziologen weiterhin Bedenken gegen ein rein repressives Vorgehen an.

Das Tragen von Abayas bleibt in Frankreichs Schulen verboten. Das hat der Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht des Landes, am Donnerstagabend entschieden. Nicht beendet ist damit allerdings die heftige Debatte um das lange Übergewand aus islamischen Ländern, das zuletzt von immer mehr Schülerinnen getragen wurde.

Nachdem der neue Bildungsminister Gabriel Attal vor zwei Wochen verkündet hatte, Abayas und Quamis – die entsprechenden Überwürfe für Männer – aus dem Unterricht zu verbannen, hatte ein Verein zum Schutz der Rechte von Muslimen (ADM) dagegen geklagt. Dem Klägeranwalt Vincent Brengarth zufolge handelt es sich bei der Abaya um eine Art Mantel, der „nicht als religiöses, sondern als traditionelles Kleidungsstück zu betrachten“ sei.

Dem widersprachen nun die Richter. Die Abaya folge einer „Logik religiöser Zugehörigkeit“. Ein Verbot stelle keine schwerwiegende Beeinträchtigung des Schutzes des Privatlebens oder der Religionsfreiheit dar, so der Staatsrat. Er bezog sich dabei auf das Gesetz aus dem Jahr 2004, das in Schulen religiöse Kleidung und Accessoires wie Kopftücher, Kippas oder auffällig große Kreuze verbietet.

Angesichts des Abaya-Verbots hatte auch der Rat des muslimischen Kultes, der als Dachverband der Muslime in Frankreich fungiert, vor „hohen Risiken von Diskriminierungen“ gewarnt. Es handle sich um eine Randerscheinung, aus der Minister Attal einen politischen Kampf machen wolle, so ADM-Anwalt Brengarth.

In der ersten Schulwoche seit Montag trugen von rund zwölf Millionen französischen Schülern rund 300 junge Frauen eine Abaya. 67 von ihnen weigerten sich, diese abzulegen, und wurden wieder nach Hause geschickt.

Am Donnerstag kam der Vater einer Schülerin in Clermont-Ferrand in Untersuchungshaft, weil er den Schuldirektor, der dem Mädchen mit der Abaya den Zutritt verweigerte, telefonisch mit dem Tod bedroht haben soll. Erziehungsminister Attal sprach von „extrem schockierenden Drohungen“.

Schon zuvor hatte Justizminister Éric Dupont-Moretti eine „sehr reaktive strafrechtliche Antwort“ bei Verletzung des Prinzips der Laizität, der in Frankreich geltenden strikten Trennung von Religion und Staat, angekündigt. Die Schulleitungen hatten in den vergangenen Monaten zunehmend auf eine klare Regelung gedrängt.

Der französische Bildungsminister Gabriel Attal: In Frankreich gilt eine strikte Trennung von Religion und Staat.
Der französische Bildungsminister Gabriel Attal: In Frankreich gilt eine strikte Trennung von Religion und Staat.

© IMAGO/ABACAPRESS/IMAGO/Stevens Tomas/ABACA

Unumstritten ist diese dennoch nicht. Der Soziologe Raphaël Liogier kritisierte, es sei nicht Sache einer staatlichen Stelle oder eines Ministers, zu definieren, was religiös sei und was nicht: „Der Staat verstößt gegen seine Verpflichtung zur Laizität, indem er vorgibt, sie zu respektieren.“ Diesem Prinzip zufolge solle sich jeder frei und ohne Druck entfalten dürfen. „Jetzt übt der Staat selbst Druck aus, was skandalös ist“, so Liogier.

Der Soziologin und Spezialistin für die arabische Welt Agnès de Féo zufolge ist die Abaya durchaus ein religiöses Kleidungsstück. Junge Frauen würden sie allerdings tragen, um aufzubegehren: „Sie drücken auf diese Weise ihren Stolz aus, Muslima zu sein, sie wenden sich gegen die gesellschaftliche Obsession, sie aus dem öffentlichen Raum zu verbannen.“

Die Haltung dahinter sei fast eine feministische: „Sie entspricht jungen Frauen, die für ihre Rechte kämpfen in einer Gesellschaft, in der sie sich nicht respektiert fühlen.“

Kontraproduktive Verbotspolitik

Verbotspolitik sei kontraproduktiv, so de Féo. Das zeige das Kopftuchverbot an französischen Schulen, das es seit 19 Jahren gibt. Infolgedessen trugen Mädchen im öffentlichen Raum häufiger Schleier und es wurden muslimische Konfessionsschulen gegründet.

Parallel zu dieser Debatte kommt in Frankreich auch regelmäßig das Thema Schuluniform auf. Minister Attal kündigte einen Testlauf in verschiedenen Schulen ab dem Herbst an.

Auch Präsident Emmanuel Macron, der sich in einem rund zweistündigen Interview mit einem YouTube-Star ausführlich zu Jugendthemen äußerte, sprach sich für eine Einheitskleidung aus. „Auch ohne eine Uniform zu haben, kann man sagen: Ihr zieht Jeans, T-Shirt und Jacke an“, so Macron. Er sei für Experimente, um die beste Lösung für die umstrittene Frage zu finden.

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