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Israelische Soldaten bereiten sich darauf vor, die Leichen ihrer Landsleute, die bei einem Angriff militanter Palästinenser getötet wurden, zu bergen.

© AFP/JACK GUEZ

„Israels Armee war ein Papiertiger“: Hamas rechnete mit mehr israelischem Widerstand

Die Terrororganisation zeigt sich überrascht über den „Erfolg“ ihrer Operation. Auch die israelische Armee räumt ein, von der Hamas getäuscht worden zu sein.

Nach Angaben eines Führungsmitglieds der Hamas war die Terrororganisation über den „Erfolg“ der eigenen Operation und den geringen israelischen Widerstand überrascht.

Gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press sagte Ali Barakeh, Mitglied der Exilführung der Hamas in Beirut: „Wir waren von diesem großen Zusammenbruch überrascht. Wir hatten geplant, einige Erfolge zu erzielen und Gefangene zu nehmen, um sie auszutauschen. Israels Armee war eigentlich ein Papiertiger.“

Die Terrororganisation habe ein Raketenarsenal aufgebaut und sei „für alle Szenarien gewappnet, auch für das Szenario eines langen Krieges“. Die Hamas werde die verschleppten Geiseln einsetzen, um die Freilassung von Palästinensern zu erzwingen, die in israelischen und US-amerikanischen Gefängnissen festgehalten werden.

Wir waren von diesem großen Zusammenbruch überrascht.

Ali Barakeh, Mitglied der Exilführung der Hamas in Beirut

Er fügte hinzu, dass Verbündete wie der Iran und die libanesische Hisbollah „sich dem Kampf anschließen werden, wenn der Gazastreifen einem Vernichtungskrieg ausgesetzt wird“.

Konkrete Angriffspläne waren nur wenigen bekannt

Barakeh sagte weiter, dass „nur eine Handvoll Hamas-Kommandeure von der Stunde Null wussten und dass selbst die engsten Verbündeten der Gruppe nicht im Voraus über den Zeitpunkt informiert wurden.

Er wies Berichte zurück, wonach iranische Sicherheitsbeamte an der Planung des Angriffs beteiligt waren. Jedoch räumte er ein, dass der Iran und die Hisbollah der Hamas in der Vergangenheit geholfen haben. Darüber hinaus produziere die Organisation seit dem Gaza-Krieg 2014 vorrangig ihre eigenen Waffen. 

Das ist unser 11. September.

Nir Dinar, der Sprecher der israelischen Streitkräfte

Israel räumt ein, von dem Hamas-Angriff überrascht worden zu sein, der mit einem jüdischen Feiertag zusammenfiel. „Das ist unser 11. September“, sagt Nir Dinar, der Sprecher der israelischen Streitkräfte, mit Blick auf die Anschläge in den USA 2001. „Sie haben uns erwischt. Sie haben uns überrascht und sind schnell von vielen Orten gekommen − aus der Luft, auf dem Boden und vom Meer.

Israel hoffte auf wirtschaftliche Stabilisierung des Gazastreifens

Seit dem Krieg mit der Hamas 2021 hat Israel versucht, eine gewisse wirtschaftliche Stabilität im Gazastreifen zu schaffen, in jenem schmalen Landstrich am Mittelmeer, in dem dicht gedrängt zwei Millionen Menschen leben. Israel erteilte Tausende von Genehmigungen, damit dessen Einwohner in Israel oder im Westjordanland arbeiten können. Dort sind die Gehälter im Baugewerbe, in der Landwirtschaft oder im Dienstleistungssektor oft zehnmal so hoch wie im Gazastreifen.

„Wir haben geglaubt, dass die Tatsache, dass sie zur Arbeit kamen und Geld nach Gaza brachten, ein gewisses Maß an Ruhe schaffen würde“, sagt ein Vertreter der israelischen Armee. „Wir haben uns geirrt.“

Ein Insider aus dem israelischen Sicherheitsapparat räumt die gelungene Täuschung seitens der Hamas ein: „Sie ließen uns glauben, sie wollten Geld“, sagt er. „Und die ganze Zeit waren sie in Übungen verwickelt, bis es außer Kontrolle geriet.“

Hamas verzichtete zwei Jahre lang auf Angriffe

In den vergangenen zwei Jahren verzichtete die Hamas auf Angriffe auf Israel. Selbst als der Islamische Dschihad im Gazastreifen mit Raketen israelische Ziele attackierte, hielt die Hamas sich zurück. Nun sieht es so aus, als sei auch das Teil der Täuschung gewesen.

Seinerzeit habe die Zurückhaltung der Hamas teils öffentliche Kritik bei einigen Anhängern ausgelöst, sagt ein Insider. So gab es im Westjordanland, das von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und seiner Fatah kontrolliert wird, einige, die sich über das Stillhalten der im Gazastreifen herrschenden Hamas lustig machten. Im Juni 2022 beschuldigte die Fatah die Hamas-Führer, in arabische Hauptstädte geflohen zu sein, um in „luxuriösen Hotels und Villen“ zu leben und ihr Volk der Armut zu überlassen.

Ein israelischer Insider sagt, es habe eine Zeit gegeben, in der Israel geglaubt habe, der Anführer der Bewegung, Jahja Al-Sinwar, sei mit der Verwaltung des Gazastreifens beschäftigt, „und nicht mit der Tötung von Juden“. Zugleich richtete Israel seinen Fokus weg von der Hamas und hin zu einem Abkommen mit Saudi-Arabien, das die Beziehungen normalisieren soll.

Wir werden diesen Fehler nicht noch einmal machen, und wir werden die Hamas langsam aber sicher zerstören.

Jaakow Amidror, einstiger nationaler Sicherheitsberater von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu

Jaakow Amidror, ein früherer General des israelischen Militärs und einstiger nationaler Sicherheitsberater von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, spricht von einem „großen Versagen des Geheimdienstes und des Militärs im Süden“.

Einige Verbündete Israels hätten gesagt, dass die Hamas mehr Verantwortung übernommen habe. „Wir haben dummerweise begonnen zu glauben, dass es wahr ist“, sagt Amidror. „Wir haben also einen Fehler gemacht. Wir werden diesen Fehler nicht noch einmal machen, und wir werden die Hamas langsam aber sicher zerstören.“ (Tsp, mit Reuters)

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