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Solidarität mit Uganda: Menschen demonstrieren in Pretoria gegen das neue Gesetz.

© Reuters/Alet Pretorius

Koloniale Spuren in Ostafrika: Die „neue“ Welle der Homophobie kommt alles andere als plötzlich

Nicht nur Uganda will Homosexualität schärfer verfolgen. Auch in Tansania, Kenia und Ghana gibt es solche Pläne. Unter anderem, weil extremistische Evangelikale mitmischen.

Von Julian Hilgers

Wer der Debatte in Ugandas Nationalversammlung zuhört, könnte meinen, es gehe ums Ganze – um die nationale Sicherheit, die kommenden Generationen, das gesamte Land. „Ich unterstütze das Gesetz, um die Zukunft unserer Kinder zu schützen“, sagt etwa der Abgeordnete David Bahati.

Der 49-Jährige ist ein einflussreicher Politiker in Uganda, ein gut vernetzter Evangelikaler mit einer radikalen Agenda. Mit Kinderschutz hat der Vorstoß, für den er vergangene Woche Dienstag im Parlament in der Hauptstadt Kampala warb, allerdings nichts zu tun.

Das neue Gesetz, von dem Bahati spricht, hat Ugandas Parlament am 21. März mit großer Mehrheit verabschiedet, in den kommenden Wochen soll es in Kraft treten. Kritiker bezeichnen das Gesetz als „Kill Gay Law“. Der Grund: Es soll Homosexualität künftig noch strenger bestrafen als ohnehin schon. Es ist eines der schärfsten weltweit.

Auch zu wissen, dass jemand homosexuell ist und es nicht anzuzeigen, würde strafbar werden.

Mariel Reiss, Amnesty International in Deutschland

Schwulen und lesbischen Paaren drohen demnach künftig bis zu 20 Jahre Haft, genau wie den Menschen in ihrem Umfeld. „Auch zu wissen, dass jemand homosexuell ist und es nicht anzuzeigen, würde strafbar werden“, sagt Mariel Reiss, Sprecherin der Ostafrika-Koordinationsgruppe von Amnesty International in Deutschland. Sie befürchtet auch die Anwendung der Todesstrafe. „Das ist eine extreme Verschärfung.“

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In Afrika steht Uganda mit seiner LGBTQ-feindlichen Agenda nicht allein da. Im Nachbarland Tansania fordert die Vorsitzende des Frauenflügels der Regierungspartei CCM, Mary Chatanda, Homosexuelle zu kastrieren. In Kenia gibt es Pläne, Schulbücher auf LGBTQ-Inhalte zu überprüfen und aus dem Verkehr zu ziehen. Homosexualität habe in seinem Land keinen Platz, sagt Präsident William Ruto. Auch im westafrikanischen Ghana gibt es Bestrebungen, die Gesetze zu verschärfen.

Viele von diesen Gesetzen gehen auf koloniale Gesetzgebungen zurück.

Mariel Reiss, Amnesty International Deutschland

Was zunächst aussieht wie eine neue Welle der Homophobie in Afrika, kommt aus Sicht von Menschenrechtsorganisationen alles andere als plötzlich. „Viele von diesen Gesetzen gehen auf koloniale Gesetzgebungen zurück“, sagt die Expertin Reiss. Noch immer stehen in mehr als 30 afrikanischen Staaten homosexuelle Handlungen unter Strafe.

Koloniale Kontinuitäten erklären aber nur einen Teil der Entwicklung. Seit einigen Jahren lasse sich der Druck von extremistischen Gruppen aus den USA beobachten – Evangelikale, die in Ostafrika ihren Einfluss ausbauten und queer-feindliche Narrative bedienten, sagt Reiss.

Laut der britischen Medienplattform OpenDemocracy haben religiöse Organisationen aus den USA zwischen 2007 und 2020 rund 54 Millionen Dollar für den Kampf gegen LGBTQ-Rechte ausgegeben. Fast die Hälfte davon in Uganda. „Gerade in Uganda haben in den letzten Monaten Diskriminierungen und queer-feindliche Gewalttaten noch mal zugenommen“, sagt Reiss.

Homophobie von US-amerikanischen Evangelikalen gefördert

Doch es gibt auch Gegenbeispiele. Südafrika etwa führte 2006 die Ehe für alle ein. Botswana hob 2021 das Verbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen auf. „Eigentlich war die Hoffnung, dass das auch in andere Länder auf dem Kontinent übergreift, aber da sehen wir gerade auch die Gegenreaktionen“, sagt Reiss.

Umstritten ist das Thema auch in Kenia. Dort entschied das Oberste Gericht Ende Februar, dass Nichtregierungsorganisationen, die sich für LGBTQ-Personen einsetzen, nicht die offizielle Registrierung von der Behörde verweigert werden darf. Menschenrechtler sehen das als positives Signal. Doch viele in Kenia reagierten verärgert, queerfeindliche Parolen machen seither vermehrt die Runde.

20
Jahre Haft drohen Homosexuellen in Uganda mit dem neuen Gesetz.

Tatsächlich hätte die neue Regelung nicht nur für die Menschen in Uganda schwere Folgen, sondern über die Landesgrenzen hinaus. Touristikunternehmen müssten etwa bald Warnhinweise für LGBTQ-Personen aussprechen, wenn sie Reisen nach Uganda buchen. Amnesty International und andere NGOs hoffen deshalb auf Druck aus der internationalen Gemeinschaft. „Das Wichtigste ist, dass das Gesetz nicht in Kraft tritt“, sagt Reiss.

Aus vielen westlichen Ländern gab es zuletzt scharfe Kritik. Die Bundesregierung hat Uganda aufgefordert, das Vorhaben sofort zu stoppen.

Ugandas Präsident Yoweri Museveni hat eine Frist von einem knappen Monat, um das Gesetz zu unterzeichnen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Ugandas autokratischer Staatschef aus Sorge vor Kritik der westlichen Staaten einlenkt. Schon Ende 2020 hatte Ugandas Parlament ein vergleichbares Gesetz verabschiedet. Damals verweigerte Museveni die Unterschrift.

Doch das scheint in diesem Fall unwahrscheinlich. Fast alle der knapp 400 anwesenden Abgeordneten im ugandischen Parlament haben dem Gesetz zugestimmt. Museveni selbst scheint fest entschlossen, das Gesetz einzuführen. Er hält Homosexualität nach eigenem Bekunden für „abartig“.

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