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Wolodymyr Selenskyj

© REUTERS/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE

Korruption in der Ukraine: Kiew bekommt Schützenhilfe aus Washington

Die Ukraine kämpft nach den jüngsten Bestechungsskandalen an zwei Fronten. Präsident Selenskyj hat der Korruption nun erneut den Krieg erklärt – und setzt auf die USA.

Kiew treibt den Kampf gegen Korruption weiter voran. Am Mittwoch haben Ermittler bei Razzien mehr als ein Dutzend Büros und Wohnungen verdächtigen Beamten durchsucht. Die öffentlichen Maßnahmen nach dem jüngsten Bestechungsskandal werden nun noch zusätzlich verschärft.

Denn auch die komplette Leitung des Zollamts ist mittlerweile entlassen worden. Lange hatte die Behörde den Ruf, die korrupteste im ganzen Land zu sein. Allein die Verluste, die durch Korruption im Zolldienst entstehen, belaufen sich auf knapp 3,5 Milliarden Euro. Pro Jahr.

Der Fraktionsvorsitzende von Selenskyjs regierender Partei „Sluha narodu“ („Diener des Volkes“), Dawyd Arachamija, kündigte ebenfalls an, dass bereits in diesem Frühjahr viele korrupte Beamte zu Gefängnisstrafen verurteilt worden sein können. Die Regierung in Kiew ist also sichtlich bemüht, Korruption mit aller Entschlossenheit zu bekämpfen. 

Korruption in der Ukraine als zweite Kriegsfront

Selenskyj sei die schlechte Außenwirkung der jüngsten Korruptionsskandale durchaus bewusst, meint Tetiana Shevchuk, Expertin beim ukrainischen Antikorruptionszentrum gegenüber dem Tagesspiegel. „Alle Erhebungen zeigen, dass sich die Gesellschaft mehr Gerechtigkeit wünscht und die Ukrainer Korruption als sehr negativ beurteilen.“

Dabei gab es für die Bevölkerung im vergangenen Jahr kaum neue Skandale. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs einigten sich Journalisten und Antikorruptionsorganisationen in einer stillen Übereinkunft mit der Regierung, das Thema während des Krieges nicht mehr aufzugreifen. Man wolle dem Ansehen der Ukraine bei westlichen Alliierten nicht schaden und der russischen Propaganda nicht in die Hände spielen.

Alle Erhebungen zeigen, dass sich die Gesellschaft mehr Gerechtigkeit wünscht.

Tetiana Shevchuk, Expertin beim ukrainischen Antikorruptionszentrum

Doch selbst der Krieg konnte das Land nicht von dieser Krankheit „heilen“. Experten glauben inzwischen, dass die Korruption seit Kriegsbeginn vor fast einem Jahr sogar noch zugenommen hat – auch, weil die Kontrollen seitdem gelockert worden sind.

Aus Sicherheitsgründen wurde unter anderem der Zugang zu Steuererklärungen oder Eigentumsregistern von Beamten gesperrt; die Korruptionsbekämpfung so geschwächt.

Doch bisher haben Kiews westliche Partner alle Augen zugedrückt. Zumindest in der ersten Phase des Krieges haben die Regierungen zwischen Washington und Brüssel dem Land viel verziehen.

Doch mit der weitreichenden militärischen und finanziellen Hilfe aus dem Westen hat sich auch diese Einstellung nun geändert. Der Krieg gilt nicht länger als Entschuldigung für fehlende Reformen.

Die EU und die USA haben den Kampf gegen die ukrainische Korruption aufgenommen

Eine systematische und wirksame Korruptionsbekämpfung ist zu einer Bedingung für die Gewährung eines EU-Finanzhilfepakets an die Ukraine geworden.

Erst im Dezember billigte der Rat der Europäischen Union ein Darlehen über 18 Milliarden Euro, seit Jahresbeginn kann es ausgezahlt werden.

Die ersten drei Milliarden werden dem Land demnach ohne jegliche Bedingungen zur Verfügung gestellt, weitere 15 Milliarden erst nach verschiedenen Reformen.

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Unter anderem wird von der Ukraine erwartet, dass sie eine glaubwürdige Liste der Strafverfolgungen im Bereich der Korruption vorlegt. Die EU und auch die USA wollen damit sicher gehen, dass ihre Milliarden für Militärhilfe und Wiederaufbau verwendet werden.

Dass das Geld der eigenen Steuerzahler nicht in den Taschen korrupter Beamter landet, scheint für die westlichen Regierungen ein Jahr nach Kriegsbeginn immer wichtiger zu werden.

Ende Januar beeilte sich der Koordinator des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby, mit der Rückversicherung, dass „die Vereinigten Staaten bisher keine Anzeichen dafür gesehen haben, dass unsere Budgethilfe unter korrupten Praktiken in der Ukraine“ gelitten hätte. 

Trotzdem verstärken die vereinigten Staaten ihre Kontrolle. Prüfer der US-Regierung sind seit kurzem in Kiew unterwegs, zusammen mit der Weltbank und der Beratungsfirma Deloitte wollen sie laut Aussagen der US-Diplomatin Victoria Nuland damit sicherstellen, dass es zu keinem Missbrauch von Hilfsgütern oder Waffen komme.

Kiew bekommt Hilfe aus den USA

Darüber hinaus haben die USA eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe für „die Aufsicht in der Ukraine“ eingerichtet. Neben Vertretern der drei Generalinspektoren – Verteidigungs- und Außenministerium sowie dem Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit – sind dort Inspektoren aus 17 Organisatoren der US-Geheimdienste angesiedelt.

Die Beamten der drei verantwortlichen Ministerien, der sogenannten „Mighty Three“, haben sich bereits seit Juni 2022 monatlich getroffen, um die gemeinsamen Aktivitäten zu koordinieren. Doch erst mit einer Mitteilung Mitte Januar auf der Homepage des Ministeriums für Entwicklungszusammenarbeit wurde auch die breite Öffentlichkeit darüber informiert.

Darin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die USA mit der Arbeit versuchen, die „Bereiche mit dem höchsten Risiko von Betrug, Verschwendung oder Missbrauch“ zu ermitteln.

Mit dem Versprechen, Korruption im Land zu bekämpfen, hat Selenskyj die Wahl 2019 gewonnen. Schon damals kamen schnell erste Zweifel an der Ernsthaftigkeit der präsidialen Aussagen auf. Auch, weil er mit dem Oligarchen Ihor Kolomojskyj befreundet war.

Dem wird Medienberichten seit Mittwoch übrigens Unterschlagung von Erdölprodukten im Wert von umgerechnet 930 Millionen Euro vorgeworfen. Selenskyj demonstriert damit, dass es für ihn keine unantastbaren Figuren mehr gibt. Egal, ob es sich um Personen aus seinem Umfeld handelt oder nicht.

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