zum Hauptinhalt
In Nairobis Stadtteil Kibera eskaliert der Konflikt.

© afp/Tony Karumba

Krawalle in Kenias Hauptstadt Nairobi: Regierung geht hart gegen Jugendproteste vor

Wegen hoher Steuern und Preise demonstrieren Tausende von Menschen gegen die kenianische Regierung. Die reagiert zunehmend autoritär auf die Proteste.

Aus dem tiefen Loch unter dem rechten Knie strömt Blut. Mit schmerzverzerrtem Gesicht versucht sich der Junge, mit der Wunde im Bein aufrecht zu halten, während die Menschen um ihn herum Hilfe anbieten.

Zu sehen ist das auf einem Video, das Kenias Oppositionsführer Raila Odinga am Mittwoch bei Twitter teilte – kurz nach dem Auftakt eines dreitägigen Protests gegen die kenianische Regierung, der in der Hauptstadt Nairobi in heftige Unruhen umgeschlagen ist. Der Grund für die Demonstrationen sind Steuererhöhungen und die hohen Kosten für Lebensmittel.

Der Junge aus dem Video, vielleicht zwölf Jahre alt, ist einer von Dutzenden Verletzten. Allein am Mittwoch wurden sechs tote Demonstranten gemeldet. Die Opposition um Ex-Premier Odinga erhebt schwere Vorwürfe. „Diese illegitime Regierung greift unschuldige Kinder an“, schrieb der 78-Jährige zu dem Video des verwundeten Jungen. „Sie verwendet scharfe Munition.“

Diese illegitime Regierung greift unschuldige Kinder an. Sie verwendet scharfe Munition.

Oppositionsführer Raila Odinga zu dem Video eines bei den Protesten verwundeten Kindes

In Nairobi tobte die Gewalt vor allem im Armenviertel Kibera, mit 200.000 Einwohnerinnen und Einwohnern einem der größten Slums Afrikas. Der Stadtteil gilt als Hochburg der Opposition. Dort zündeten junge Männer Autoreifen an und schleuderten Steine auf die Polizei, die wiederum mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Tränengas gegen die Protestierenden vorging. In Kibera leben die meisten Menschen in einfachen Häusern aus Holz und Wellblech; Armut, Not und Gewalt prägen den Alltag.

Der seit September 2022 regierende Präsident William Ruto hatte den Menschen im Wahlkampf ein besseres Leben versprochen. Doch eingelöst hat er das nicht. Im Gegenteil: Viele können sich inzwischen selbst Grundnahrung wie Maisbrei oder Reis nicht mehr leisten. Der Benzinpreis hat sich zuletzt verdoppelt.

Aus der Wut darüber versucht das Oppositionsbündnis „Azimio la Umoja“ (Kiswahili für: „Resolution der Einheit“), politisches Kapital zu schlagen – und ruft immer wieder zu Massenprotesten auf. Ihr Anführer Odinga, der nach eigenen Angaben wegen einer Grippe diese Woche nicht an den Demos teilnahm, war bei der Wahl im vergangenen Jahr dem heutigen Präsidenten unterlegen. Er hält die Abstimmung für „gestohlen“ und will die Regierung am liebsten stürzen.

Zusammenstöße in Nairobis Stadtteil Kibera.
Zusammenstöße in Nairobis Stadtteil Kibera.

© dpa/Brian Inganga

Kenia gilt in Ostafrika eigentlich als vorbildliche Demokratie, als wirtschaftlich stark und politisch stabil, mit garantierter Presse- und Meinungsfreiheit. Doch auf die heftigen Proteste reagiert die Regierung von Präsident Ruto immer autoritärer. Nicht nur lässt sie die Polizei mit äußerster Härte gegen die meist jungen Männer vorgehen, die diese Woche in Nairobi, aber auch in der westkenianischen Oppositionshochburg Kisumu am Viktoriasee auf die Straße gingen.

Auch stehen Oppositionspolitiker inzwischen unter Hausarrest; zu Verhaftungen von Regierungsgegnern ist es ebenfalls bereits gekommen. So ist der Unternehmer und Politiker Maina Njenga, der Oppositionsführer Odinga nahesteht, seit Tagen verschwunden.

Am Mittwoch sollen ihn der Tageszeitung „Nation“ zufolge Zivilpolizisten im Haus seines Vaters südlich von Nairobi festgenommen haben. „Wir behandeln die Sache als Entführung und nicht als Verhaftung“, sagte Njengas Anwalt Ndegwa Njiru der Zeitung. „Wir grillen ihn und befragen ihn zu seiner Verwicklung in die anhaltenden Protesten“, zitiert die „Nation“ einen anonymen Regierungsmitarbeiter.

Njenga, der eine lange kriminelle Vergangenheit und bereits wegen Drogenhandels im Gefägnis saß, war einst ein Anführer der „Mungiki“ (Kikuyu für: Masse), einer Mischung aus sozialer Jugendsekte und krimineller Straßenbande. Die Bewegung ist in Kenia verboten. Njenga steht im Verdacht, sie wiederaufbauen zu wollen, um ihre Mitglieder gegen die Regierung in Stellung zu bringen. Der weist die Vorwürfe zurück.

Seine Familie fordert zu erfahren, wo die Polizei den prominenten Gefangenen versteckt hält.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false