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Nach dem Aufflammen der Gewalt im Nordkosovo in den vergangenen Tagen, hat die EU Serbien und Kosovo zum Dialog aufgerufen. 

© Bearbeitung: Tagesspiegel/Visar Kryeziu/PA

Krisenherd Balkan: Kann die EU für Frieden zwischen Kosovo und Serbien sorgen?

Der Konflikt am Balkan ist in den letzten Tagen wieder eskaliert. Die EU versucht, zu vermitteln. Drei Experten analysieren, ob ein Friedensschluss gelingen kann.

Das Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien ist seit jeher von Spannungen geprägt. Der Kosovo erklärte 2008 seine Unabhängigkeit, Serbien betrachtet ihn jedoch weiterhin als eigenen Landesbestandteil. Immer wieder eskaliert die Gewalt zwischen den beiden Staaten.

Die EU versucht zu vermitteln. Bislang blieben die Gespräche ohne Erfolg. Kann die EU den Konflikt schlichten? In unserer Serie „3 auf 1“ geben drei Expert:innen eine Einschätzung dazu. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.


Die Interessen der Bevölkerung berücksichtigen

Die Europäische Union hat es in den 1990er Jahren nicht geschafft, einen Krieg auf dem Balkan zu verhindern. Danach hat sie zwar umfangreiche Hilfe geleistet, aber trotzdem weitgehend versäumt, die Entwicklung der Region voranzubringen. Die Antwort auf die Frage, ob die EU den Balkan befrieden kann, lautet also nein.

Die Hauptursache für die Instabilität des Balkans ist die Schwäche der politischen und wirtschaftlichen Institutionen in den meisten Ländern. Dass diese Staaten zu offenen und wohlhabenden Demokratien reifen, liegt ohne Zweifel im Interesse der EU. Bislang waren es jedoch vor allem außenpolitische Ziele, die die Ausrichtung der europäischen Unterstützung bestimmt haben. Das hat häufig dazu geführt, dass ausbeuterische Eliten in den Ländern gestärkt wurden.

Eine nachhaltige Strategie muss auf den übereinstimmenden langfristigen Interessen der EU und der Bevölkerung der Balkanstaaten aufbauen. Einen solchen Politikwechsel herbeizuführen, wird jedoch auf Widerstände stoßen.


Die EU muss in der Region kohärenter handeln

Wenn die EU ihren Ansatz nicht ändert, wird sie nicht in der Lage sein, Frieden und Sicherheit auf dem Balkan zu gewährleisten. Die EU muss in der Region insgesamt kohärenter handeln. Und sie braucht größere militärische Fähigkeiten.

Die aktuelle Gewalt im Nordkosovo wurde dadurch ermutigt, dass die EU es versäumte, die Angriffe serbischer organisierter krimineller Gruppen auf die KFOR-Truppen im Mai 2023 richtig einzuordnen und darauf zu reagieren. Die EU weigerte sich, die Schuld Belgrads und seiner Stellvertreter im Kosovo für die Orchestrierung dieser Angriffe anzuerkennen. Sie unternahm nichts, um die Verantwortlichen zu benennen und strafrechtlich zu verfolgen.

Im Gegenteil, sie bestrafte die kosovarische Regierung und schlug einen Deeskalationsplan vor. Dieser sah die Verringerung der Präsenz der kosovarischen Sonderpolizei im Norden zu einem Zeitpunkt vor, zu dem genau eine Stärkung von Sicherheitskräften erforderlich gewesen wäre. Damit gab die EU praktisch grünes Licht für den nächsten Angriff. Das hat der jüngste Gewaltausbruch bestätigt. 


Für Mitglieder ist die EU ein Sicherheitsgarant

Der beste Weg für die EU, den Balkan zu befrieden, besteht darin, die Länder der Region als Mitglieder aufzunehmen. Durch die Nichtaufnahme des Westbalkans wird diese Region anderen Akteuren überlassen. Nicht nur Russland und China, sondern auch die USA verfolgen dort ihre eigenen Interessen, die nicht immer mit den europäischen übereinstimmen. Die EU sollte mit Blick auf die Erweiterung viel stärker geopolitische Gründe berücksichtigen.

Die EU ist ein Sicherheitsgarant. Kein Mitgliedsstaat ist bislang zusammengebrochen oder wurde von außen angegriffen. Eine Mitgliedschaft in der Nato, dem anderen Sicherheitsgaranten, ist aufgrund der Bombardierung Serbiens durch die Nato 1999 umstrittener.

Da die EU nun schon seit mehr als 20 Jahren die Erweiterung „predigt“ – bei gleichzeitig sehr dürftigen Fortschritten – haben Verbalnoten, Erklärungen und Vermittlungsversuche eine begrenzte Glaubwürdigkeit. Solange sie sich nicht auf den gesamten westlichen Balkan erstreckt, wird die EU dort von vielen als weniger mächtig als die USA, Russland oder China angesehen.

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