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Die Klimakonferenz in Dubai ist umstritten.

© AFP/GIUSEPPE CACACE

Politologin zur Klimakonferenz in Dubai: „Man kann es mit der WM in Katar vergleichen“

Beim Weltklimagipfel COP28 versuchen 70.000 Teilnehmer, gemeinsame Lösungen zu finden. Kann das funktionieren – und wenn ja, wie? Gabriele Spilker erklärt, warum Klima-Kompromisse so schwer sind.

Frau Spilker, die derzeitige COP findet in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) statt. Kein Land emittiert pro Kopf mehr als der Golfstaat. Ist Dubai als Austragungsort dennoch richtig, da man die Welt zusammenbringen muss?
Ich bin in dieser Frage hin- und hergerissen. Einerseits ist es absurd, dass ein Staat, der so massiv in Öl- und Gasgeschäfte investiert, eine Klimakonferenz austrägt. Die Gefahr von Greenwashing ist sehr hoch.

Andererseits gibt es die Hoffnung, dass die Golfstaaten in Sachen Klimaschutz nun in ein kritischeres Licht gerückt und so auch Fortschritte erzielt werden. Man könnte es mit der Fußball-WM in Katar vergleichen, die das Land in manchen Bereichen sehr in das Blickfeld der globalen Aufmerksamkeit gestellt hat.

Inwiefern können die VAE als Gastgeber bestimmte Themen verhindern und so die politische Agenda bestimmen?
Bestimmte Themen von der Tagesordnung fernzuhalten, ist schwierig. Interessanter ist, ob und wie es mit den vielen zusätzlichen Vereinbarungen, die Staaten miteinander freiwillig schließen, vorangeht und was am Ende der zweiwöchigen Konferenz im Abschlussdokument steht. Hier wird immer bis ins letzte Detail um Formulierungen gerungen. Dabei kommt es in besonderem Maße auch auf das Gastgeberland an. VAE könnte etwa versuchen, weniger verpflichtende Klauseln aufzunehmen.

Zum ersten Mal wird eine Zwischenbilanz, der sogenannte Global Stocktake, gezogen. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Es gibt viele Staaten, die wollen und die auch einiges machen. Das grundsätzliche Problem aber ist, dass es zwar viele lobenswerte Ziele gibt, beispielsweise bis 2050 klimaneutral zu sein.

Doch diese Ziele müssen durch konkrete Maßnahmen realisiert werden und diese sind oft zu wenig konkret oder zu wenig ambitioniert. Natürlich auch deshalb, weil die Politik von Wählerinnen und Wählern abgestraft werden kann.

Haben es Demokratien also generell schwerer als Autokratien, gegen den Klimawandel vorzugehen?
Tatsächlich zeigt die Forschung, dass es genau umgekehrt ist. Bisher waren Demokratien im Kampf gegen den Klimawandel erfolgreicher, da sie oftmals von ihren Bürgerinnen und Bürgern gedrängt wurden, mehr für den Klimaschutz zu tun.

Was aber ist, wenn sich die Meinung der Gesellschaft ändert?
Dann könnte sich das Blatt wenden. Wenn Großteile der Bevölkerung gegen Klimaschutzmaßnahmen sind, könnten demokratische Regierungen – aus Angst vor einer Abwahl – gezwungen sein, weniger drastische Maßnahmen zu beschließen. Der zunehmende Rechtspopulismus könnte dies noch verstärken. In Autokratien hingegen gibt es keinen Wählerwillen, die dortigen Herrscher sind unabhängiger.

Egal, wer sich kümmert, alle profitieren. Und da das für jedes Land so ist, hat keines ein Interesse, selbst etwas zu ändern.

Gabriele Spilker, Professorin für Internationale Politik und globale Ungleichheiten

Ex-Kanzlerin Angela Merkel sagte 2019 zum Klimapaket der Bundesregierung: „Politik ist das, was möglich ist.“ Warum ist aus politikwissenschaftlicher Sicht nicht mehr möglich?
Hierzu gibt es vor allem zwei Erklärungsansätze. Der erste ist die sogenannte Tragik der Allmende. Stellen Sie sich vor, auf einer Gemeinschaftswiese grasen unzählige Schafe. Jeder Bauer hat ein Interesse daran, dass seine Schafe möglichst viel grasen, damit der wirtschaftliche Nutzen maximiert wird.

Doch das Gras ist endlich. Um die Wiese dauerhaft nutzen zu können, hätte daher jeder Bauer ein Interesse, dass der Konsum nicht ausartet und das Gras nachwachsen kann. Doch wenn ein einzelner Bauer seinen Konsum zurückfährt, wird die Gemeinschaftswiese von einem anderen Bauern genutzt. Daher möchte niemand das Problem selbst angehen.

Und so verhält es sich auch mit dem Klimawandel?
Ja, die Wiese ist sozusagen unsere Erde und wir Menschen zerstören somit unsere Lebensgrundlage. Die Schafe sind die vielen Millionen Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger, die tagtäglich Treibhausgase emittieren. Und die Bauern sind die Staaten, die vor allem ihre Wirtschaft ankurbeln wollen und darauf hoffen, dass sich andere Staaten um den Klimaschutz kümmern.

Denn egal, wer sich kümmert, alle profitieren. Und da das für jedes Land so ist, hat keines ein Interesse, selbst etwas zu ändern. Verhandlungen wie bei der Weltklimakonferenz werden somit immens erschwert.

Ist es also aussichtslos, wenn ein Land allein versucht, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen?
Nein, genau das wäre der fatale Trugschluss und hier kommt die Tragik der Allmende (das Gemeindegut; Anm. der Redaktion) an die Grenzen ihrer Erklärungskraft. Denn auch ein einziges Land kann Technologien und Innovationen entwickeln, die später von anderen Ländern übernommen und im Kampf gegen den Klimawandel hilfreich sein können.

Was ist die zweite Erklärung, warum Klimaverhandlungen so schwer sind?
Hierbei geht es vor allem darum, dass Verursacher und Opfer des Klimawandels meist unterschiedliche Staaten sind. Länder, die kaum Emissionen verursachen, leiden am stärksten unter dem Klimawandel.

Ein weiteres Beispiel: Stellen Sie sich vor, es gibt ein Unternehmen, das seinen Sitz am oberen Ende des Flusses hat. Für dieses Unternehmen ist es nicht allzu schlimm, wenn giftige Chemikalien ins Wasser gelangen. Die Dorfgemeinschaft jedoch, die weiter unten am Fluss lebt und nun kein sauberes Trinkwasser mehr hat, leidet enorm.

Könnte man sagen, reiche Industriestaaten leben am oberen Ende des Flusses, während Schwellen- und Entwicklungsländer am unteren Ende leben?
Ja, am Ende des metaphorischen Flusses leben vor allem Länder des globalen Südens.

Es gibt Umweltverträge, die eine Wirkung gezeigt haben. So konnte durch das Montreal-Protokoll das Ozonloch schnell und effektiv bekämpft werden. Warum war der Vertrag so erfolgreich, während das Pariser Klimaabkommen seinen Zielen hinterherhinkt?
Das liegt vor allem an drei Punkten. Erstens gab es beim Ozonloch eine klar definierte Problemlösung. Man wusste genau, dass die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) für das Ozonloch verantwortlich waren und es wurde hauptsächlich eine technologische Innovation benötigt, um diese Stoffe zu ersetzen. Im Kontext des Klimawandels müssen sämtliche Bereiche unseres Lebens durch neue Technologien ersetzt werden.

Zweitens waren viel weniger betroffene Akteure im Spiel, es waren eine Handvoll Staaten, vor allem die USA und Großbritannien, in denen die Hauptproduzenten von FCKW angesiedelt waren. Gemeinsam konnten sie das Problem lösen. Und drittens waren die gesundheitsschädigenden Folgen des Ozonlochs konkret, spürbar und klar quantifizierbar, auch für die Industriestaaten.

All das trifft auf den Klimawandel nicht zu.
Genau. Erstens gibt es für den Klimawandel verschiedene Ursachen, es gibt also nicht die eine Lösung. Zweitens sind es mit weltweit rund 190 Staaten viel mehr Akteure, die mitreden. Und drittens sind zumindest in den westlichen Staaten die Klimafolgen zwar spürbar, aber dennoch bislang noch viel zu abstrakt. All das erschwert den Kampf gegen den Klimawandel.

Können auch globale Krisen wie der Ukraine-Krieg oder der Nahostkonflikt ein Hemmschuh darstellen?
Zumindest können sie Rivalitäten zwischen Staaten verstärken und somit auch die Zusammenarbeit in Klimafragen erschweren. Wichtiger jedoch ist, dass Kriege dazu führen, dass schlichtweg Zeit und Energie fehlt, den Klimawandel anzugehen. Das jüngste Beispiel hierfür ist, dass US-Präsident Joe Biden wohl nicht nach Dubai fliegen wird, da er sich auf den Krieg in Gaza konzentrieren wolle.

Die reichsten zehn Prozent der Welt emittieren so viel wie die unteren 90 Prozent. Bedeutet das, dass wenn sich die G20 einigten, der Klimawandel aufgehalten werden könnte?
Ja, aber auch in den G20 ist es unheimlich schwer, da es allen voran mit den USA, China und Russland Staaten gibt, bei denen die Interessen weit auseinanderklaffen.

Um auf unser Beispiel zurückzukommen: Bei den G20 sitzen die reichsten, dicksten Bauern und keiner von ihnen möchte auf die Wiese verzichten.

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