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Der usbekische Präsident Shavkat Mirziyoyev gibt während des Verfassungsreferendums seine Stimme ab.

© dpa/Uncredited

Präsidententreffen in Berlin: Woran Steinmeier seinen usbekischen Amtskollegen erinnern sollte

Shavkat Mirziyoyev hat jüngst per Referendum seine mögliche Präsidentschaft bis 2040 ausgedehnt. Jetzt ist er auf Staatsbesuch in Deutschland. Wichtig ist dabei vor allem ein Thema.

Ein Gastbeitrag von Umida Niyazova

„Man versteht uns dort und das schätze ich sehr“, sagte Usbekistans Präsident Shavkat Mirziyoyev über seinen bevorstehenden Besuch in Berlin am 3. Mai, zu dem er von seinem „Freund“, Bundespräsident Steinmeier, eingeladen worden war.

Anders als sein Vorgänger, der 2016 verstorbene Diktator Islam Karimov, der wegen seiner repressiven Politik international nahezu isoliert war, hat Mirziyoyev es verstanden, sich in Europa als Reformer zu inszenieren. Mithilfe eines PR-Unternehmens hat die Regierung am Image eines „neuen Usbekistans“ gefeilt. Aber wie viel davon ist tatsächlich neu?

Längere Amtszeit dank neuer Verfassung

Mirziyoyev trifft kurz nach dem Referendum über eine neue usbekische Verfassung in Berlin ein. Nachdem bereits zwei Drittel der bestehenden Verfassung geändert wurden, waren die Bürgerinnen und Bürger am 30. April dazu aufgerufen, in einer einzigen Abstimmung für oder gegen die Änderungen zu stimmen.

Dabei ging es insbesondere um eine Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre vor. Eine landesweite Kampagne, die ausschließlich die Vorteile einer neuen Verfassung anpries, sollte die Öffentlichkeit zu einer Ja-Stimme bewegen. Sogar Kindergartenkinder haben an Veranstaltungen teilgenommen. Das hat offenbar funktioniert, denn die Änderungen wurden mit großer Mehrheit angenommen.

Bereits zuvor bestätigte das Verfassungsgericht, dass amtierende Staatsoberhäupter bei kommenden Wahlen kandidieren können, und zwar „unabhängig von der Zahl der Amtszeiten, die diese Personen bei Inkrafttreten des neuen Verfassungsgesetzes innehatten“. Mit dem Votum ist für Mirziyoyev nun endgültig der Weg geebnet, bis 2040 an der Macht zu bleiben.

Mirziyoyev hat dem Land seit seinem Amtsantritt Ende 2016 zweifellos Verbesserungen gebracht. Allerdings war das angesichts der Politik des mit eiserner Faust regierenden Karimov auch keine große Kunst. Jede kleine Verbesserung schien da wie eine große Errungenschaft.

Zu den spärlichen Reformen gehörten die Lockerung von Beschränkungen der Medienfreiheit, die Freilassung von Hunderten von politischen Gefangenen und die Abschaffung der systematischen Zwangsarbeit im usbekischen Baumwollsektor.

In der Bevölkerung und darüber hinaus verstärkt sich jedoch das Gefühl, dass sich der autoritäre Regierungsstil in Usbekistan nicht wirklich geändert hat und dass sich dies auch mit einer neuen Verfassung nicht ändern wird.

Menschenrechte bleiben auf der Strecke

Unabhängige, demokratische Institutionen, Medien, Gewerkschaften und Justiz sowie faire, freie und transparente Wahlen hat es in dem Land nie gegeben, und die in der neuen Verfassung vorgeschlagenen Änderungen ändern nichts an der Machtkonzentration in der Exekutive.

Die usbekische Regierung feilt an einem neuen, tourismusfreundlicherem Image, beispielsweise durch das UNESCO-Weltkulturerbe.
Die usbekische Regierung feilt an einem neuen, tourismusfreundlicherem Image, beispielsweise durch das UNESCO-Weltkulturerbe.

© mauritius images/imageBROKER / Egmont Strigl

Der neue Verfassungsentwurf wurde erstmals Ende Juni 2022 veröffentlicht. Darin enthalten war ein Vorschlag für die Aufhebung des Rechts der autonomen Republik Karakalpakstan mit zwei Millionen Einwohnern, ein Referendum über die Abspaltung von der Republik Usbekistan abzuhalten. Dies führte zu massiven Protesten, die schließlich in Gewalt umschlugen und 21 Menschenleben forderten.

Eine Untersuchung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ergab, dass die Sicherheitskräfte mit übermäßiger Gewalt vorgingen. Bislang ist jedoch niemand für den Tod der Demonstranten zur Rechenschaft gezogen worden.

16
Jahre Haft bekam ein Rechtsanwalt, der ein Unabhängigkeitsreferendum durchführen wollte

Der karakalpakische Rechtsanwalt Dauletmurat Tajimuratov hatte versucht, Kundgebungen zu organisieren, um dort ein Referendum über die Abspaltung von Usbekistan einzufordern. Daraufhin wurde er zu 16 Jahren Haft verurteilt und war Folter und Misshandlungen ausgesetzt.

Viele Beobachter sind sich darüber einig, dass Mirziyoyevs Reformeifer zu schwinden beginnt. In den letzten zwei Jahren hat die Regierung liberale Reformen rückgängig gemacht und die Meinungsfreiheit zunehmend eingeschränkt.

Immer mehr Blogger wurden unter fadenscheinigen Anschuldigungen inhaftiert. Andere wurden dadurch zum Schweigen gebracht, dass ihnen der Zugang zum Internet untersagt wurde, was besonders dann der Fall war, wenn sie über Korruptionsthemen berichtet hatten.

Usbekistan übt weiterhin eine strenge Kontrolle über die Aktivitäten der Zivilgesellschaft aus. Die Registrierung von Nichtregierungsorganisationen (NROs) ist äußerst aufwändig, und der Zugang usbekischer NROs zu ausländischen Finanzmitteln unterliegt unangemessenen Beschränkungen.

1,45
Milliarden Dollar betrugen deutsche Investitionen 2022 in Usbekistan

Im Juni 2022 trat eine Bestimmung in Kraft, die NROs, die ausländische Zuschüsse erhalten, dazu verpflichtet, mit einem „nationalen Partner“, das heißt einem Vertreter einer staatlichen Behörde, zusammenzuarbeiten. Dieser Partner ist dann befugt, die Projektdurchführung zu überwachen und sogar in diese einzugreifen.

Deutschlands Rolle

Deutschland ist der größte Handelspartner Usbekistans in Europa. Die deutschen Investitionen im Jahr 2022 werden auf 1,45 Milliarden Dollar geschätzt. Einige der namhaftesten deutschen Unternehmen, darunter Siemens, Thyssen, MAN, Adidas und Hugo Boss, sind inzwischen in Usbekistan tätig.

Die Bundesregierung sollte diese Gelegenheit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass Handel nur bei gleichzeitiger Achtung der Menschenrechte möglich ist. Diese generelle Aussage sollte dabei von der Klarstellung flankiert werden, dass deutsche Unternehmen nach dem im Januar dieses Jahres in Kraft getretenen Lieferkettengesetz verpflichtet sind, die Menschenrechte in ihrer Lieferkette zu achten.

In seiner Antrittsrede im November 2021 sprach der usbekische Präsident davon, auf den Erfahrungen Deutschlands aufbauen zu wollen.

Er kündigte an, dass sein Premierminister Deutschland besuchen werde, „um die Erfahrungen dieses Landes in allen Bereichen gründlich zu untersuchen und umzusetzen“. Die Bundesregierung sollte dafür sorgen, dass dies auch für die Menschenrechte gilt.

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