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Wagner-Kämpfer in Rostow.

© REUTERS/stringer

Tag 512 der Ukraine-Invasion: Wagner-Kommandeur veröffentlicht Zahlen zu eigenen Verlusten

Prigoschin schimpft in Video über Militärs in Moskau, Ukraine beginnt mit Einsatz von Streumunition aus den USA, Weizenpreise steigen nach dem Aus des Getreidedeals. Der Überblick am Abend.

Nachdem es in den vergangenen Tagen etwas ruhiger um die Wagner-Gruppe geworden war, sorgte die Söldnerformation in den vergangenen Tagen wieder vermehrt für Schlagzeilen. Da war einmal ihr Boss Jewgeni Prigoschin, der sich in schmutziger Unterwäsche – und lebendig, weshalb das Bild Aufsehen erregte – auf einem Feldbett zeigte. Aktuell ist außerdem ein Video aufgetaucht, in dem Prigoschin über die Militärs in Moskau schimpft und die Kriegsführung in der Ukraine eine „Schande“ nennt. Der Wagner-Chef bleibt sich also auch nach der gescheiterten Meuterei treu. 

Und da sind die Aktivitäten der nach Belarus ins Exil gegangenen Wagner-Kämpfer. Sie bilden dort zurzeit weißrussische Eliteeinheiten aus. Polen, das eine Grenze mit Belarus hat, reagierte alarmiert und verstärkte den Grenzschutz. 

Wie viele Wagner-Kämpfer derzeit schon in Belarus sind, ist unklar. Anhaltspunkte gibt es allerdings. Da sind einmal Satellitenbilder aus Tsel, einer Ortschaft rund 70 Kilometer südlich von Minsk, die der Militärexperte Konrad Muzyka analysiert hat. Sie zeigen ein Camp von Wagner mit mehr als 300 Zelten, das mehr als 6000 Soldaten Platz bietet. Zudem sind auf den Bildern zahlreiche Busse und mehr als 100 Trucks zu erkennen, die auch großes militärisches Gerät transportieren können.  

Ein weiterer Anhaltspunkt sind Zahlen, die einer der Wagner-Kommandeure unter dem Kampfnamen „Marx“ über den wagnereigenen Telegram-Kanal veröffentlichte (Quelle hier). Sie zeigen auch den enormen Blutzoll, den die Gruppe – und Russland allgemein – im Kampf in der Ukraine zuletzt bezahlt hat. Erstmals beziffert damit auch ein hochrangiges Wagner-Mitglied die eigenen Verluste. Demnach sind insgesamt auf Seiten von Wagner 

  • rund 22.000 Soldaten in der Ukraine gefallen. Zum Vergleich: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach Anfang Juli von 21.000 Toten, die US-Geheimdienste im Februar von knapp 10.000.
  • Rund 40.000 Wagner-Kämpfer wurden laut „Marx“ verletzt...
  • ...und rund 10.000 werden wohl jetzt nach Belarus versetzt.
  • Insgesamt haben 78.000 Männer für Wagner in der Ukraine gedient, davon 49.000 Sträflinge. Prigoschin hatte schon Ende Mai erklärt, dass 10.000 der Sträflinge in der Ukraine gestorben seien. 
  • Einige Tausend Kämpfer, so schreibt „Marx“ in seinem Post, würden sich jetzt erholen und „Ferien“ machen.

„Marx“ widersprach in seinem Post auch Angaben eines russischen Abgeordneten, wonach nach der Meuterei mehr als 30.000 Wagner-Kämpfer einen Vertrag mit dem russischen Verteidigungsministerium unterschrieben hätten. „Das ist nur möglich, wenn auch die Toten unterschrieben haben“, kommentierte er.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick

  • „Was an der Front vor sich geht, ist eine Schande“: In einem Video legt sich Jewgeni Prigoschin erneut mit dem Kreml und den Militärs in Moskau an. Ist die Aufnahme echt, wäre es das erste Lebenszeichen seit der gescheiterten Meuterei. Mehr hier.
  • Ukraine benötigt für Offensive Dutzende F-16-Kampfjets und Hunderte Panzerfahrzeuge: Die Ukraine bittet um dringende Unterstützung für ihre Gegenoffensive. Zudem unterbreitet Kiew eine Idee, für die Fortführung der Getreideexporte im Schwarzen Meer. Mehr hier.
  • Der Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes appelliert an russische Bürger, für Großbritannien zu spionieren. Auch zum Putschversuch von Wagner-Chef-Prigoschin äußert er sich. Mehr hier.
  • Russland hat offenbar hundert Hubschrauber verloren: Dutzende russische Hubschrauber sollen seit Beginn des Angriffskrieges zerstört oder beschädigt worden sein. Darunter auch Typen, die für die derzeitige Lage von großer Bedeutung sind. Mehr hier. 
  • Söldner der russischen Wagner-Gruppe bilden auf einem Truppenübungsplatz nahe der Grenze zu Polen belarussische Spezialkräfte aus, teilt das Verteidigungsministerium in Minsk mit. Geplant seien Gefechtsübungen. „Eine Woche lang üben hier auf dem Truppenübungsplatz Bretski Spezialeinheiten und Vertreter des Unternehmens gemeinsam Kampfeinsätze.“ Mit dem „Unternehmen“ ist die private russische Söldnertruppe Wagner gemeint. Mehr im Liveblog. 
  • Die Ukraine hat nach einem Bericht der „Washington Post“ mit dem Einsatz von Streumunition aus den USA begonnen. Demnach versuchen damit die ukrainischen Streitkräfte im Südosten, russische Stellungen aufzubrechen, die die Gegenoffensive verlangsamen.
  • Die EU verhängt weitere Sanktionen, um den Iran an der Herstellung von Drohnen für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hindern. Unternehmen aus der EU dürfen künftig keine Teile mehr in den Iran liefern, die für die Entwicklung und den Bau unbemannter Luftfahrzeuge gebraucht werden. 
  • Die US-Regierung verhängt neue Sanktionen gegen Russland. Die Strafmaßnahmen gegen 18 Personen und Dutzende Organisationen sollten Russlands militärische Fähigkeiten beschneiden, teilt das US-Finanzministerium mit.
  • Das mit Russland eng verbündete China will nach eigenen Angaben den Handel mit der Ukraine ausbauen. China sei zur Zusammenarbeit bereit, um eine für beide Seiten vorteilhafte Wirtschafts- und Handelskooperation zu entwickeln, teilt Vize-Handelsminister Ling Ji nach einem Treffen mit dem stellvertretenden Wirtschaftsminister der Ukraine, Taras Katschka, in Peking mit. 
  • Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell fordert angesichts der jüngsten russischen Angriffe auf Hafenanlagen am Schwarzen Meer eine Ausweitung der Militärhilfe für die ukrainischen Streitkräfte. Man habe es mit einer sehr ernsten und neuen Situation zu tun, weil in den Häfen Getreidevorräte zerstört würden und dies in anderen Teilen der Welt eine Nahrungsmittelkrise verursachen werde, erklärte der Spanier am Donnerstag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Brüssel.
  • Bei Angriffen auf das Zentrum der südukrainischen Stadt Mykolajiw sind mindestens 18 Menschen verletzt worden, darunter auch mindestens fünf Kinder. Das teilte der Gouverneur des Gebiets Mykolajiw, Witalij Kim, am Donnerstag auf Telegram mit.
  • Bei einem ukrainischen Drohnenangriff auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim ist nach Angaben des von Moskau eingesetzten Gouverneurs eine Jugendliche getötet worden. „Infolge eines feindlichen Drohnenangriffs wurden vier Verwaltungsgebäude (...) im Nordwesten der Krim beschädigt“, erklärte der russische Gouverneur der Krim, Sergej Aksjonow, am Donnerstag im Onlinedienst Telegram.
  • Die südukrainische Region Odessa ist die dritte Nacht in Folge unter Beschuss geraten. In der Nacht zum Donnerstag waren lokalen Medienberichten zufolge wieder Explosionen in der Nähe des Hafens von Odessa zu hören. Es gebe „Zerstörungen im Zentrum von Odessa“, schrieb der örtliche Gouverneur Oleg Kiper auf Telegram.
  • Ein Gebäude des chinesischen Konsulats in Odessa ist ukrainischen Angaben zufolge durch russischen Beschuss beschädigt worden. Der Gouverneur der gleichnamigen Oblast, Oleh Kiper, hat ein Foto von den Schäden auf Telegram gepostet. Zu sehen sind zerbrochene Fenster. „Der Angreifer attackiert gezielt die Hafeninfrastruktur – Verwaltungs- und Wohngebäude in der Nähe wurden beschädigt, auch das Konsulat der Volksrepublik China“, erklärt Kiper auf Telegram. „Das zeigt, dass der Feind auf nichts achtet.“ Russland und China sind miteinander verbündet.
  • Russland hat nach türkischen Angaben seine Vertreter aus dem Zentrum zur Kontrolle des internationalen Getreideabkommens in Istanbul abgezogen. Dies erfuhr die dpa am Donnerstag aus dem türkischen Verteidigungsministerium. 
  • Die Weizenpreise sind nach dem Ende des Getreideabkommens auf den Weltmärkten stark angestiegen, meldet BBC. Die Märkte reagieren auf Russlands Erklärung, Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, als Verbündete „des Kyiver Regime“ zu werten und als potenzielle militärische Ziele zu behandeln. Laut „BBC“ stiegen die Weizenpreise an der europäischen Börse am Mittwoch gegenüber dem Vortrag um 8,2 Prozent. In den USA zogen Weizen-Futures um 8,5 Prozent an. Das sei der höchste Anstieg an einem Tag seit Russlands Invasion der Ukraine im Februar 2022.

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