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Ein brennendes Auto im Paris Vorort Nanterre.

© Imago/Poitout Florian/

Tod durch Polizei: Trauermarsch in Nanterre für getöteten Jungen

Bei Paris wurde ein 17-Jähriger bei einer Verkehrskontrolle von der Polizei aus nächster Nähe erschossen. Seine Mutter will „eine Revolte“ für ihren Sohn.

Die Mutter des durch Schüsse eines Polizisten bei einer Verkehrskontrolle getöteten 17-jährigen Nahel M. hat für den Mittwochabend zu einem Trauermarsch für ihren Sohn in dessen Heimatort Nanterre bei Paris aufgerufen. „Das ist eine Revolte für meinen Sohn“, sagte sie in einem auf Tiktok geposteten Video am Mittwoch.

Der 17-jährige Nahel M. war am Dienstag auf dem Fahrersitz eines Autos bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre erschossen worden. Zunächst hatte es bei der Polizei geheißen, das Auto sei in der Nähe des Pariser Geschäftsviertels La Défense auf zwei Motorrad-Polizisten zugefahren.

In einem im Internet verbreiteten Video, das von AFP auf seine Echtheit überprüft wurde, war dann aber zu sehen, wie zwei Polizisten das Fahrzeug für eine Kontrolle stoppten. Einer der beiden Polizisten zielte dabei mit seiner Waffe auf den Fahrer durch das seitliche Autofenster und schoss dann aus nächster Nähe, als das Auto plötzlich beschleunigte.

Nach wenigen Metern krachte der Wagen dann in einen Pfosten. Der 17-jährige Fahrer Nahel M. starb kurze Zeit später trotz Wiederbelebungsversuchen der Rettungskräfte durch eine Schusswunde in der Brust.

Macron nennt den Tod unverzeihlich

Im Video war bei der Kontrolle zuvor der Satz zu hören: „Du kriegst eine Kugel in den Kopf.“ Der Schütze, ein 38-jähriger Polizist, wurde festgenommen; sein Polizeigewahrsam wurde am Mittwoch verlängert.

„Ein Jugendlicher wurde getötet, das ist unerklärlich, unverzeihlich“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch in Marseille. „Nichts rechtfertigt den Tod eines jungen Menschen.“ Er hoffe auf „Gerechtigkeit“. Zugleich rief der Präsident eindringlich, ebenso wie der Bürgermeister von Nanterre, zur Ruhe auf.

Nach dem Tod des 17-Jährigen war es in der Nacht zu wütenden Protesten und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anwohnern und Polizisten in Nanterre und anderen Pariser Vorstädten gekommen. Die Behörden mobilisierten nach den nächtlichen Ausschreitungen für Mittwochabend 2000 zusätzliche Sicherheitskräfte in die Pariser Vororte.

Der Vorfall hat die Debatte um Polizeigewalt in Frankreich neu entfacht. Nach Verkehrskontrollen starben im vergangenen Jahr 13 Menschen, so viele wie noch nie. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel erinnerte der Mustapha El-Miri, Soziologe an der Universität von Aix-en-provence, an frühere Gewaltfälle: „Wir haben es hier nicht mit etwas Außergewöhnlichem zu tun, solche Vorfälle gibt es in Frankreich relativ regelmäßig. Neu ist, dass am Dienstag ein Minderjähriger von einem Polizisten tödlich verletzt wurde, nachdem er sich einer Kontrolle entziehen wollte.“

Regeln für Schusswaffengebrauch wurden gelockert

El-Miri nennt Zahlen. „2017 wurden nach Übergriffen auf Polizisten die Regeln für den Schusswaffengebrauch durch die Polizei zur Selbstverteidigung gelockert. Seitdem ist die Anzahl der Schüsse in solchen Fällen deutlich angestiegen. 2017 wurde 202 Schüsse abgefeuert, weil Personen Widerstand gegen die Polizeigewalt leisteten. Seitdem sind die Zahlen nicht mehr unter 150 Schüsse pro Jahr gesunken.“

Dass sie mehrheitlich in Vororten fielen, in denen es sich Bevölkerung mit Migrationshintergrund konzentriere, werde sie „zwangsläufig von einem Teil der Bevölkerung als Form der Diskriminierung angesehen“. Zudem würden solche Vorfälle seit Jahren von Passanten auf Handys gefilmt - so auch im Fall von Paris-Nanterre.

„Das trägt auch dazu bei, dass die zunächst von den Behörden gegebenen Rechtfertigungen regelmäßig in Frage gestellt werden.“ In der Folge wachse das Gefühl vieler Menschen, dass Transparenz fehle und man den Behörden misstrauen müsse. (aws, ade, AFP)

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