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Israelische Freiwillige bergen Leichen.

© AFP/MENAHEM KAHANA

Trance-Festival, Kibbuze und die Kleinstadt Sderot: Eine Übersicht über die Anschlagsorte der Hamas

Am Wochenende hat die islamistische Terrororganisation Hamas einen beispiellosen Terrorangriff auf Israel verübt. Sie schlug an zahlreichen Orten zu. Eine Übersicht.

Über Tausend Hamas-Terroristen haben am Wochenende mehr als 20 Orte im Süden Israels angriffen. Dabei töteten sie mehr als 1.000 Menschen und entführten schätzungsweise 150 weitere. Inzwischen hat Israels Armee die Kontrolle über die Gebiete wiedererlangt, wodurch langsam das volle Ausmaß der Katastrophe bekannt wird. Eine Übersicht.

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Kibbutz Beeri

Der Überfall auf das kleine landwirtschaftliche Dorf begann am Samstag gegen 6 Uhr morgens. Aufnahmen der Sicherheitskameras am Tor des Kibbuz zeigten zwei bewaffnete Männer, die das Tor zu durchbrechen.

Wie die „Times of Israel“ berichtet, stürmten dann Dutzende Hamas-Kämpfer den Kibbuz. Dort wüteten sie dann, wie an kaum einem anderen Ort. Jeder zehnte der gut 1000 Bewohner soll umgebracht worden sein. „Sie liefen durch Beeri, als ob ihnen der Ort gehört“, sagte ein Anwohner. „Sie schossen wahllos, entführten, wen sie konnten und brannten Häuser nieder, sodass die Bewohner durch Fenster fliehen mussten, wo die Terroristen warteten.“ Es sei ein „Massaker“ gewesen.

Dutzende sind entführt worden und wurden als Geiseln nach Gaza verschleppt. Es gibt bisher Berichte von mindestens 5 Geiseln mit deutscher Staatsangehörigkeit, die aus dem Kibbuz entführt wurden. Ob und wie viele Deutsche es auch unter den Todesopfern gibt, ist bisher nicht bekannt.

Den Schweizer Militärpsychologen Hubert Annen, der an der ETH Zürich lehrt, überrascht es, nicht, dass unter den Geiseln insbesondere auch Frauen, Kinder und ältere Menschen sind und in sozialen Netzwerken als Trophäen präsentiert wurden. „Auf diese Art und Weise will man Stärke demonstrieren und zeigen, dass man vor niemandem Halt macht und sich niemand sicher fühlen kann“, sagte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. In der Zivilgesellschaft solle so der Glauben an die eigene Verteidigungsfähigkeit, an Sicherheit und Stabilität geschwächt werden, so der Experte.

Musik-Festival Nova

In der Nacht zum 7. Oktober versammeln sich im Süden Israels Tausende junger Menschen, um den Alltag zu vergessen. Beim Supernova-Festival am Ende des Laubhüttenfests feiern sie gemeinsam in der Wüste zu Trance-Beats. Viele tanzten die Nacht durch, es geht ausgelassen zu, psychedelisch. Ein Geist von Gegenkultur und Eskapismus. Den genauen Ort des Festivals haben sie erst Stunden zuvor erfahren. Er befindet sich nahe dem Kibbuz Re’im – keine fünf Kilometer vom Gazastreifen entfernt.

In den frühen Morgenstunden stürmen dann Hamas-Terroristen das Festival und richten ein Blutbad an. Mindestens 260 Menschen werden ermordet. Es gibt Berichte von Massenvergewaltigungen. Eine unbekannte Anzahl von Teilnehmern wird in den Gaza-Streifen verschleppt.

Unter Ihnen ist auch die Deutsch-Israelin Shani Louk. Deren Mutter hatte ihre Tochter auf Aufnahmen erkannt, die offenbar aus dem Gazastreifen stammen. In einem Video habe die 22-Jährige, mit dem Gesicht nach unten, halbnackt zwischen mehreren Hamas-Männern auf einem Pick-up-Truck gelegen. Ihre Beine seien verdreht gewesen. Eine jubelnde Menge brüllte „Allahu Akbar“. Nur durch ihre Tattoos sei sie für ihre Mutter zu identifizieren gewesen. Den Informationen ihrer Mutter zufolge liegt mit einer schweren Kopfverletzung in „kritischer Situation“ in einem Krankenhaus in Gaza.

Für den Militärpsychologen Annen ist es kein Zufall, dass sich die Terroristen das Musikfestival ausgesucht haben – ist es doch auch ein Ort, „der für eine westliche Kultur steht, die als hedonistisch empfunden wird“. Überhaupt ist es aus seiner Sicht auch ein „Angriff auf westliche Werte und Wertvorstellungen, womit signalisiert wird, dass wir uns nicht darauf verlassen können, dass das gute pflegliche Zusammenleben für alle erstrebenswert ist.“

Kibbutz Kfar Azza

Am Dienstag organisierte die israelische Armee Ortsbesuche für die internationale Presse in den zurückeroberten Gebieten. Die Journalisten besuchten unter anderem den Kibbuz Kfar Aza direkt an der Grenze zum Gaza-Streifen.

Der Ort wurde weitgehend zerstört. Noch hat die Armee keine genauen Opferzahlen bekannt gegeben. Doch unter ihnen befinden sich laut Aussagen von Soldaten, die den Ort gesichert haben, wohl auch tote Säuglinge und Kleinkinder.

Die israelische Armee brauchte laut dem der stellvertretenden Kommandeur der Fallschirmjäger-Truppe Ben Zion zwölf Stunden, um den Kibbuz zu erreichen: „Gott sei Dank haben wir vielen Eltern und Kindern das Leben gerettet. Leider wurden einige von Molotow [Cocktails] verbrannt.“

Die Soldaten, die die Leichen israelischer Zivilisten bergen, hätten solche Szenen noch nie in ihrem Leben gesehen. „Es ist kein Krieg“, sagte Generalmajor Itai Veruv vor Reportern. „Es ist kein Schlachtfeld. Sie sehen die Babys, die Mütter, die Väter in ihren Schlafzimmern, in ihren Schutzräumen und wie die Terroristen sie töten. Es ist kein Krieg, es ist ein Massaker.“

„Das ist etwas, was ich in meinem Leben noch nie gesehen habe. Das ist etwas, was ich mir immer bei meiner Großmutter und meinem Großvater während Pogromen in Europa und anderswo vorgestellt habe“, erklärte Veruv weiter.

Bis zu 70 Hamas-Terroristen sollen an dem Massaker beteiligt gewesen sein. Das landwirtschaftliche Dorf hatte eine Einwohnerzahl von 745. Die BBC berichtet, dass das Wrack eines Gleitschirms, mit dem Terroristen die Grenze überflogen, in dem Kibbuz gefunden wurde.

Was Menschen letztlich dazu befähigt, andere auf grausame Weise zu töten, lässt sich laut dem Militärpsychologen Annen in auch in anderen kriegerischen Auseinandersetzungen beobachten. So etwa auch in der Ukraine: „Der Feind wird zu einem Menschen zweiter oder dritter Klasse heruntergestuft. Einen solchen Menschen zu bekämpfen, erscheint so als legitim. Die Handlungen lassen sich einfacher rechtfertigen. Die Hemmschwelle wird heruntergesetzt und die Wahrscheinlichkeit für brutale, menschenverachtende Handlungen erhöht.“

Die Kleinstadt Sderot

08.10.2023, Israel, Sderot: Israelische Polizisten stehen vor einer zerstörten Polizeistation.
08.10.2023, Israel, Sderot: Israelische Polizisten stehen vor einer zerstörten Polizeistation.

© dpa/Ohad Zwigenberg

Der Angriff auf Sderot, die nächstgrößere Stadt von Gaza aus, begann ebenfalls am frühen Samstagmorgen. Mindestens zwei Pickups mit montierten Maschinengewehr erschossen willkürlich Zivilisten auf der Straße. An einer Bushaltestelle wurden sieben Zivilisten tot aufgefunden.

Später besetzten Terroristen die Polizeistation des Ortes und lieferten sich stundenlange Feuergefechte mit der anrückenden israelischen Armee. Dabei kam auch eine nicht genannte Anzahl von Soldaten ums Leben. Als die Armee die Polizeistation schließlich einnahm, war diese völlig zerstört.

Auch mehrere Feuerwehrleute und Polizisten kamen ums Leben. Zudem wurde die Stadt mit hunderten Raketen beschossen.

Gemeinden um Gaza und Nir Oz

Direkt an der Grenze überfielen die Terroristen mehrere israelische Armeebasen. Die dort stationierten Soldaten waren häufig völlig überrascht von dem Angriff und konnten nur bedingt Widerstand leisten. Eine nicht bekannte Anzahl von Soldaten wurde entführt und Dutzende hingerichtet.

Für die kleinen Gemeinden Nir Oz, Nahal Oz und Alumim, die alle in unmittelbarer Nähe zum Gazastreifen liegen, gibt es noch keine Opferzahlen.

Das israelische Militär erklärte am Dienstag, es habe keine Schätzung, wie viele Menschen in Nir Oz getötet oder entführt worden seien. Doch in der Gemeinde Nir Oz war auch eine Deutsche unter den Opfer. Die 22-jährige Studentin Carolin Bohl und ihr Freund, der britische Fotograf Danny Darlington, sind dort am Samstag getötet worden. Beide befanden sich im Urlaub dort am Rande der Negev-Wüste 

Eigentlich hätte er am Freitagabend nach Tel Aviv aufbrechen sollen. Doch er habe beschlossen, „noch einen Tag zu bleiben, um mit seiner Freundin den Kibbuz zu erkunden – eine Entscheidung, die unser aller Leben unwiderruflich für immer verändert hat und die ihn das Leben gekostet hat“, schrieben Angehörige auf Instagram.











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