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Ordentlich rasierte Soldaten in Moskau.

© Vyacheslav Prokofyev/TASS / action press

Ukraine-Invasion Tag 334: Wegen Bartregel für Soldaten – Prigoschin und Kadyrow kritisieren Putins Generäle

Was Scholz in der Panzerfrage umtreibt + 175 Milliarden Euro Kriegskosten für die deutsche Wirtschaft + 180.000 russische Soldaten getötet oder verletzt. Der Überblick am Abend.

Es ist ein auf den ersten Blick kurioser Streit, der aber ein Schlaglicht auf die angespannte Stimmung in der russischen Militärführung lenkt. Putins neu eingesetzter Ukraine-General Waleri Gerassimow - im Nebenjob Leiter des russischen Generalstabs und damit in Militärdingen die Nummer drei hinter Putin und Verteidigungsminister Schoigu - will die Disziplin der russischen Truppen verbessern. 

Das heißt keineswegs, dass die Soldaten Plünderungen und Schlimmeres in den besetzten Gebieten unterlassen sollen, sondern künftig ordentlich rasiert, frisiert und gekleidet in den Kampf ziehen müssen. Auch die Nutzung von Privathandys will der Befehlshaber einschränken. Letzteres ist durchaus sinnvoll, verraten doch russischen Soldaten durch unbedachte Handynutzung immer wieder ihre Standorte an ukrainische Truppen (mehr hier).

Vor allem aber die neue Bartregel ruft die Dauerkritiker der Armeeführung in Moskau auf den Plan. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin kommentierte Gerassimows Vorstoß mit folgenden Worten: „Der Krieg ist die Zeit der Aktiven und Mutigen, nicht der ordentlich Rasierten.“ Tschetschenen-Führer Ramsan Kadyrow dagegen beschwerte sich über die Diskriminierung der Muslime in der Truppe. Kadyrow attackierte auch einen der Verfechter der Maßnahmen - den Parlamentsabgeordneten Viktor Sobolew, der auch Mitglied des Verteidigungsausschusses der Duma ist. Der müsse wohl zu viel Zeit haben, schimpfte Kadyrow. Sobolew solle sich gefälligst militärische Strategien ausdenken oder selbst zum Kriegsdienst an die Front.  

In der Kritik schwingt mit: Statt sich um die wichtigen Dinge zu kümmern, beschäftigt sich Moskau mit Nebensächlichkeiten. Tatsächlich war es Gerassimow, der mitverantwortlich für die gescheiterte und verlustreiche Frühjahrsoffensive war. Prigoschin und Kadyrow dagegen sehen sich mit ihren Truppen als Garanten von Putins Ukraine-Plänen. Sie dürfte zusätzlich wütend machen, dass Putin Gerassimow erst kürzlich das Kommando für die Truppen in der Ukraine übertrug. Beobachter werteten das als Fingerzeig an Prigoschin und Kadyrow: Werdet nicht zu laut! Wirkung hat die Geste offensichtlich nur bedingt entfaltet.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Inmitten von Spannungen mit Estland hat Russland den Botschafter des baltischen EU- und Nato-Mitglieds ausgewiesen. „Der Botschafter der Republik Estland muss am 7. Februar die Russische Föderation verlassen“, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Der tschechische Präsidentschaftskandidat Andrej Babis hat die Beistandsverpflichtung der Nato infrage gestellt und damit empörte Reaktionen ausgelöst. Auf die Frage, ob er als Präsident Soldaten nach Polen oder in die baltischen Staaten entsenden würde, falls diese angegriffen werden sollten, sagte er im TV: „Nein, sicherlich nicht. Ich will Frieden, ich will keinen Krieg.“ Mehr dazu hier.
  • Die Bundeswehr hat mit der Verlegung der ersten beiden der drei zugesagten Patriot-Flugabwehrraketenstaffeln von Deutschland nach Polen begonnen. Drei Konvois mit 40 Fahrzeugen und 150 Soldaten brachen am Montag von Gnoien (Kreis Rostock) aus auf. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach Korruptionsskandalen in Kiew ein entschlosseneres Vorgehen gegen Fehlverhalten im Staatsapparat angekündigt. „Die Gesellschaft wird alle Informationen bekommen, und der Staat wird die notwendigen mächtigen Schritte ergreifen“, sagte er in seiner Videobotschaft. Mehr hier.
  • Noch immer zögert Deutschland bei der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine. Die Entscheidung darüber hänge von vielen Faktoren ab und werde „im Kanzleramt getroffen“, sagt der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius bei Anne Will. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Lettland fährt wegen Russlands Kriegs in der Ukraine und aus Solidarität mit dem benachbarten Estland seine diplomatischen Beziehungen zu Russland zurück. Dies kündigte Außenminister Edgars Rinkevics am Montag auf Twitter an. Mehr in unserem Newsblog.
  • Die Grünen dringen auf eine rasche Entscheidung zugunsten einer Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine. „Wir glauben, dass man in Rücksprache mit den Partnerstaaten das liefern soll, was die Ukraine braucht“, sagt Co-Parteichef Omid Nouripour in Berlin. 
  • Der Krieg Russlands gegen die Ukraine dürfte die deutsche Wirtschaft im laufenden Jahr rund 175 Milliarden Euro kosten. Zu diesem Ergebnis kommen Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Dies entspreche pro Person Wohlstandsverlusten von etwa 2000 Euro. 
  • Ein unlängst nach Norwegen geflohener früherer Kommandeur einer Einheit der Söldner-Truppe Wagner ist von der Polizei festgenommen worden. Es werde geprüft, ob es eine richterliche Entscheidung über eine Internierung von Andrei Medwedew geben solle, teilt die norwegische Polizei mit. 
  • Der Konflikt zwischen Russland und dem Westen kann nach Darstellung des russischen Außenministers Sergej Lawrow nicht länger als ein „hybrider Krieg“ bezeichnet werden. Vielmehr sei er schon näher an einem richtigen Krieg, sagt Lawrow vor der Presse bei einem Besuch in Südafrika. 
  • In einem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius haben Dutzende britische Abgeordnete die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 an die Ukraine gefordert. Koordiniert wurde das Schreiben der „Sun“ zufolge vom Labour-Abgeordneten Chris Bryant.
  • EU-Ratspräsident Charles Michel dringt darauf, beschlagnahmtes Vermögen der russischen Zentralbank für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. Die Mitgliedsstaaten sollten die Idee prüfen, die eingefrorenen Mittel gewinnbringend zu verwalten, sagte er der „Financial Times“. 
  • Westliche Beamte verorten hinter der Briefbomben-Serie vergangenes Jahr in Spanien den russischen Militärgeheimdienst. Agenten hätten eine rassistische Gruppe in Russland unter anderem dazu angestiftet, Päckchen unter anderem an den spanischen Premierminister zu schicken, berichtet die „New York Times“.
  • Beim russischen Angriffskrieg in der Ukraine sind nach norwegischen Schätzungen bisher fast 180.000 russische Soldaten getötet oder verletzt worden. Auf ukrainischer Seite seien vermutlich mehr als 100.000 Soldaten tot oder verwundet, sagte Generalstabschef Eirik Kristoffersen in einem Interview mit dem Sender TV2.

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