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Israelische Siedler nach dem Sturm auf das palästinensische Dorf Dayr Sharaf in der besetzten Westbank. Die Armee greift oft nicht ein.

© AFP/Jaafar Ashtiyeh

Vertreibung im Westjordanland: Warum die USA ein Einreiseverbot gegen radikale israelische Siedler verhängen

Im Schatten des Gaza-Kriegs vertreiben bewaffnete Siedler Beduinen und Palästinenser in der besetzten Westbank. Washington kritisiert Israels Untätigkeit.

Die USA sind alarmiert über die Gewalt radikaler israelischer Siedler gegen Palästinenser in der besetzten Westbank und Ost-Jerusalem – und unzufrieden mit der Untätigkeit der israelischen Regierung.

Daher haben die USA jetzt Visa-Sanktionen gegen extremistische jüdische Siedler, die Gewalt gegen palästinensische Zivilisten im besetzten Westjordanland ausüben, angekündigt.

Die US-Regierung habe die israelische Regierung aufgefordert, mehr zu tun, um extremistische Siedler zur Rechenschaft zu ziehen. Man habe aber „kein ausreichendes Maß an Maßnahmen“ gesehen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Dienstag in Washington.

„Ganze Gemeinden werden vertrieben“

Es habe einen alarmierenden Anstieg an Gewalttaten gegeben. Dazu gehöre „ein beispielloses Maß an Gewalt durch extremistische israelische Siedler“, die es auf Palästinenser und ihr Eigentum abgesehen hätten und ganze Gemeinden vertrieben, ebenso wie an Gewalt durch palästinensische Militante gegen Israelis. 

Außenminister Anthony Blinken hatte erklärt, die USA würden jedem die Einreise verweigern, der „den Frieden, die Sicherheit oder die Stabilität im Westjordanland untergräbt“ oder zu Mitteln greift, die „den Zugang der Zivilbevölkerung zu lebenswichtigen Dienstleistungen und Grundbedürfnissen übermäßig einschränken“.

Das ist eine eher symbolische Maßnahme – zumal die zahlreichen Siedler, die auch die US-Staatsbürgerschaft besitzen, davon ausgenommen sind. Sie zeugt allerdings davon, wie alarmiert Washington ist. Auch im Hinblick auf Gespräche nach Kriegsende über eine mögliche Zwei-Staaten-Lösung, die durch die dauerhafte israelische Besiedlung des palästinensischen Landes kaum noch machbar ist.

Nach palästinensischen Angaben wurden seit Beginn des Krieges mehr als 250 Palästinenser im besetzten Westjordanland getötet – sowohl von israelischen Soldaten als auch von Siedlern.

Der 40-jährige Olivenbauer Bilal Saleh – hier auf einem Handyfoto eines Verwandten – ist am 29. November von bewaffneten israelischen Siedlern auf seinem Feld getötet worden.
Der 40-jährige Olivenbauer Bilal Saleh – hier auf einem Handyfoto eines Verwandten – ist am 29. November von bewaffneten israelischen Siedlern auf seinem Feld getötet worden.

© AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Israel hatte während des Sechs-Tage-Krieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem erobert. In diesen besetzten Palästinensergebieten sind seither mehr als 200 israelische Siedlungen entstanden, in denen heute etwa 600.000 Israelis leben. Das ist völkerrechtlich illegal. Auch der UN-Sicherheitsrat bezeichnete 2016 diese Siedlungen als Verletzung des internationalen Rechts.

Das besetzte Westjordanland, das in drei Zonen eingeteilt ist, in denen Israel unterschiedlich große Befugnisse hat.
Das besetzte Westjordanland, das in drei Zonen eingeteilt ist, in denen Israel unterschiedlich große Befugnisse hat.

© Grafik: Tagesspiegel/Ille | Quelle: dpa, Stand: 02.11.2023

Im Schatten des Gaza-Kriegs haben israelische Siedler die Vertreibung von Beduinen-Communitys intensiviert. Nicht nur die Bewohner des Beduinendorfes Ein Rashash hatten schon lange damit zu kämpfen, dass radikale Siedler ihren Schafherden den Zugang zu Weideland und Wasserstellen verwehren.

Beduinen werden von israelischen Siedlern verstärkt angegriffen und in die Enklaven in den besetzten Gebieten, die unter palästinensischer Zivilverwaltung stehen, vertrieben.
Beduinen werden von israelischen Siedlern verstärkt angegriffen und in die Enklaven in den besetzten Gebieten, die unter palästinensischer Zivilverwaltung stehen, vertrieben.

© AFP/THOMAS COEX

Schließlich überfielen sie die Wohnstätten der Beduinen, bis die meisten aufgaben und die sogenannten C-Gebiete verließen. Diese machen 60 Prozent der Westbank aus und unterstehen auch nach den Osler Abkommen von 1990 der totalen zivilen und militärischen Kontrolle Israels.

Es handelt sich um die erfolgreichste Strategie zum Landraub seit 1967.

Yehuda Shaul, israelischer Aktivist und Mitbegründer des Thinktanks Israeli Center for Public Affairs

Siedlerorganisationen machen keinen Hehl daraus, dass sie die Beduinen systematisch aus diesen Gebieten vertreiben wollen – in die Enklaven, in denen die palästinensische Autonomiebehörde formal regiert. „Eine Maßnahme, die wir ausgeweitet haben, richtet sich gegen die Farmen mit Schafen“, sagte der Generalsekretär der Siedlerorganisation Amana schon 2021 auf einer Konferenz.

„Es handelt sich um die erfolgreichste Strategie zum Landraub seit 1967“, sagt Yehuda Shaul, ein prominenter israelischer Aktivist und Mitbegründer des Thinktanks Israeli Center for Public Affairs.

Immer mehr Waffen für die Siedler

Aber die Siedler vertreiben auch die Bewohner fester Dörfer. So wie die etwa 200 Bewohner des Dorfes Khirbet Zanuta in der Westbank. So beschreibt ein BBC-Reporter, wie die Häuser mit Bulldozern zerstört wurden. Und auch die von der EU mitfinanzierte Schule.

Währenddessen schreitet die Bewaffnung der Siedler voran. Nach israelischen Medienangaben hat das Sicherheitskomitee der Knesset kürzlich mitgeteilt, dass Siedler derzeit etwa 150.000 Feuerwaffen besitzen. Bis Jahresende sollen es 165.000 sein.

Gewalttätige Siedler werden selten verurteilt, oder nur zu leichten Strafen. Zwei der radikalsten Minister der israelischen Regierung sind selbst Siedler und unterstützen diese massiv: Itamar Ben Gvir, Minister für nationale Sicherheit, und Bezalel Smotrich, Finanzminister mit Sicherheitsbefugnissen über die Westbank. Mitte Oktober zirkulierte ein Video in den sozialen Netzwerken, das Ben-Gvir beim Verteilen von Gewehren an Siedler zeigte.

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