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Wahlplakate in Bangkok.

© Reuters/Chalinee Thirasupa

Viel mehr als ein Urlaubsziel: Warum die Wahl in Thailand auch für Deutschland wichtig ist

Nicht nur weiße Strände und Vollmond-Partys: Thailand ist zweitgrößte Volkswirtschaft in Südostasien und auch für deutsche Unternehmen relevant. Am Sonntag wählt das Land.

Ein Gastbeitrag von Céline Caro

Phuket, Koh Phangan, Pattaya – weiße Sandstrände, Full-Moon-Partys, wunderschöne Natur und viel Erholung. Für die meisten in Deutschland bedeutet Thailand vor allem eines: Urlaub.

Die Führungsetagen vieler Unternehmen assoziieren das Königreich allerdings zunehmend mit lukrativen Geschäften. Thailand ist die zweitgrößte Volkswirtschaft Südostasiens und Deutschland ist sein wichtigster Handelspartner innerhalb der EU.

Umgekehrt rangiert Thailand auf Platz drei der deutschen Direktinvestitionen innerhalb der Asean-Staaten. Mercedes-Benz und BMW, die östlich von Bangkok Fahrzeuge produzieren, sind Marktführer im Premiumsegment und Flaggschiffe der deutschen Industrie vor Ort.

Thailand exportiert überwiegend elektronische Komponenten nach Deutschland, hat sich aber auch als Zulieferer von Kfz-Teilen etabliert. Dies gilt insbesondere für Reifen, denn über 90 Prozent des Naturkautschuks wird in Südostasien produziert und Thailand ist hier weltweit führend.

EU möchte Freihandelsabkommen

Noch relevanter für die Zukunft ist, dass die EU und Südostasien beide im Begriff sind, ihre Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zu diversifizieren und Alternativen zu China zu suchen. Das Kooperationspotential ist groß.

500
Abgeordnete werden neu gewählt.

Deshalb möchte die EU, nach Singapur und Vietnam, auch Freihandelsabkommen mit anderen Staaten in der Region abschließen. Die Verhandlungen mit Thailand wurden 2013 aufgenommen, jedoch nach dem Militärputsch 2014 von der EU ausgesetzt. Die Wiederaufnahme erfolgte erst am 15. März dieses Jahres.

Ob der Prozess dieses Mal zu Ende geführt werden kann, hängt auch von künftigen politischen Ereignissen ab. Am 14. Mai finden Parlamentswahlen in Thailand statt, die zweiten seit dem letzten Coup.

Wahlprozess vom Militär ausgearbeitet

Die unter der Militärführung verabschiedete Verfassung von 2017 sieht folgenden Wahlprozess vor: Zuerst sollen 500 Abgeordnete neu gewählt werden. Anschließend werden diese gemeinsam mit 250 Senatoren über den Premierminister abstimmen.

Die Senatsmitglieder wurden 2018 durch ein von der Militärführung ernanntes Komitee ausgewählt und gelten dieser gegenüber als loyal.

Die progressive Move-Forward-Partei ist besonders populär bei jungen, urbanen Schichten.

Céline Caro, Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bangkok

Diese Bedingungen erschweren eine Regierungsbildung der Opposition erheblich. Bei den Wahlen im März 2019 wurden zwei Parteien zudem wegen angeblicher Verstöße während des Wahlprozesses verboten. Vor diesem Hintergrund konnte sich das Militär mit seiner Palang-Pracharat-Partei (PPRP) an der Macht halten.

Vor den kommenden Wahlen ist die Fraktion der Generäle zersplittert: Sie kandidieren dieses Mal mit zwei Parteien. In den aktuellen Umfragen liegen diese hinter der Opposition. Die progressive Move-Forward-Partei (MFP) zum Beispiel ist besonders populär bei jungen, urbanen Schichten, die sich grundlegende pro-demokratische Reformen und eine zivil geführte Regierung wünschen.

Die meisten Europäer sehen in Thailand ein Urlaubsparadies – aber für die EU wird das Land als Wirtschaftspartner in der Region wichtiger.

© AFP/Mladen Antonov

Das Ergebnis ist völlig offen

Alle Prognosen gehen davon aus, dass die größte Oppositionskraft, die Pheu-Thai-Partei (PTP), dieses Mal wieder mit Abstand die meisten Sitze im Unterhaus gewinnen wird. Unter ihren drei Spitzenkandidaten befindet sich die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin, Paetongtarn Shinawatra, die viele Wähler anzuziehen scheint.

Die Frage ist jedoch, ob die PTP genug Verbündete in ihrem Lager finden wird, um den Premierminister zu stellen – ohne die Unterstützung des Senats. Dies würde einen Erdrutschsieg der Opposition im Unterhaus voraussetzen, der jedoch als unwahrscheinlich gilt.

Die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin, Paetongtarn Shinawatra, gehört zu den drei Spitzenkandidaten der größten Oppositionspartei Pheu-Thai.

© AFP/Lillian Suwanrumpha

Die militärdominierten Parteien könnten ihrerseits versuchen, mit der Unterstützung des Senats und anderer kleiner Parteien weiterhin den Premier zu stellen. Prognosen zufolge werden deren Mandate im Unterhaus aber nur für eine Minderheitsregierung genügen.

Sollte sich keines der beiden Lager durchsetzen, wäre die dritte Option eine Art „Große Koalition“ zwischen der PTP und der PPRP. Offiziell lehnen jedoch beide Seiten diese Möglichkeit momentan ab.

Für Thailands Demokratie steht viel auf dem Spiel

Der spannendste Teil dieser Wahl beginnt somit nach dem 14. Mai. Neben den Sondierungsgesprächen werden die Reaktionen traditioneller Machtzentren und Institutionen wie der Wahl- und Antikorruptionskommission, der Gerichte und der Armee eine zentrale Rolle spielen. Mehr als einen erneuten Coup befürchten viele Thailänder potenzielle Parteiverbote, um den Status quo zu erhalten.

Die nächsten Wochen werden zeigen, ob eine friedliche und rechtmäßige Machtübergabe möglich ist und ob das finale Ergebnis die Präferenzen des Wählers widerspiegelt.

Viel steht auf dem Spiel für die Konsolidierung der Demokratie in Thailand, die Verhandlung eines Freihandelsabkommens mit der EU, und die allgemeine wirtschaftliche und geostrategische Annäherung zwischen Europa und Südostasien. In Thailand geht es eben um viel mehr als nur Urlaub.

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