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Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht im Europäischen Parlament in Straßburg über die Strategie der Beziehungen zwischen der EU und China.

© dpa/Jean-Francois Badias

Von der Leyen legt China-Strategie vor: Die EU hat einen Plan, Deutschland nicht

Olaf Scholz betreibt Schattenboxen, wenn er vor einer Entkoppelung der deutschen Wirtschaft von China warnt. Was die EU und seine Koalitionspartner wollen, ist etwas anderes: Klartext vom Kanzler.

Ein Kommentar von Viktoria Bräuner

Für Schnelligkeit und Scharfsinn ist die Europäische Union nicht bekannt – umso überraschender ist ihre Haltung zu China. Hier hat Brüssel einen Plan, ganz im Gegensatz zu Berlin. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fordert schon lange eine größere Widerstandsfähigkeit der 27 Mitgliedsstaaten gegenüber Pekings neuem Machtstreben.

Wie das funktionieren kann, diskutierte am Dienstag das Europäische Parlament – und war sich erstaunlich einig. Daran könnte sich die in dieser Frage uneinige deutsche Ampel-Koalition ein Beispiel nehmen.

„China hat sich verändert, und Europa hat sich verändert“, sagte von der Leyen zu Beginn ihrer Rede. Eine strategische Anpassung sei hier gefragt, konkret in vier Schritten: Erstens müssten die EU-Staaten Schlüsselbereiche wie den Energie-, Nahrungsmittel- und Gesundheitssektor besser schützen. Zweitens sollten bestehende Mittel zum Schutz von Europas Wirtschaftsinteressen besser genutzt und drittens durch ein Kontrollinstrument ergänzt werden: Dieses solle verhindern, dass „Systemrivalen“ sensible Technologien europäischer Unternehmen militärisch oder geheimdienstlich nutzen. Viertens sollte die EU bestehende Partnerschaften, wie zu den G7, noch weiter ausbauen.

„Es ist dringend erforderlich, unsere Beziehungen neu auszutarieren“, erklärte von der Leyen mit Blick auf China und legte eine starke, inhaltsreiche Diskussionsgrundlage vor, um die in Deutschland seit Monaten zäh gerungen wird.

Wir brauchen ein kluges, vorausschauendes De-Risking.

Olaf Scholz, Bundeskanzler (SPD)

Mit seiner Militärpräsenz versucht China im Süd- und Ostchinesischen Meer einzuschüchtern und verstößt mit der Aufschüttung künstlicher Inseln gegen internationales Seerecht. Dem demokratisch regierten Taiwan droht es mit Eroberung, in der Region Xinjiang werden muslimische Minderheiten, wie die Uiguren, systematisch verfolgt und in Zwangslagern eingesperrt.

Mit einigen, wenigen Ausnahmen hat die EU erkannt, welches Konfliktpotential von der „neuen Ära“ ausgeht, die Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping ausgerufen hat – und verstanden, dass sie darauf reagieren muss. Denn Peking denkt längst viel weiter und hat begonnen, eigene Abhängigkeiten abzubauen, während es andersherum versucht, andere Staaten von sich abhängig zu machen.

Die Kunst des Schattenboxens

Und Deutschland? Deutschland wartet. Noch immer ringt die Bundesregierung um eine China-Strategie, will diese nicht vor der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie veröffentlichen. Was sinnvoll klingt, könnte die Ampel wichtige Zeit kosten.

„Weltweit arbeiten Länder daran, riskante Abhängigkeiten abzubauen und ihre Handelsbeziehungen breiter aufzustellen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Eröffnung der Hannover-Messe. Ein De-Coupling, also eine vollständige Entkoppelung, von einzelnen Märkten sei der falsche Weg. „Was wir stattdessen brauchen, ist ein kluges, vorausschauendes De-Risking“, sagte Scholz.

Was der Kanzler da macht, ist Schattenboxen. Niemand von seinen Koalitionspartnern fordert „ein abruptes Ende der Handelsbeziehungen zu China“, das der konservative Flügel der SPD jüngst als „ökonomisches Desaster“ bezeichnete. Ein Schlag, mit dem der Seeheimer Kreis Annalena Baerbock und Robert Habeck treffen wollten. Bloß: Darum geht es gar nicht. Die Grünen-Minister fordern lediglich, wie übrigens auch die FDP, eine Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen.

Die Folgen von Abhängigkeiten zeigten sich im Ansatz bereits während der Corona-Pandemie, als die Volksrepublik skrupellos Millionenstädte in Mega-Lockdowns schickte – und es in Deutschland teils zu Lieferengpässen kam.

Die Gefahr eines größeren Interessenkonflikts, etwa im Falle eines chinesischen Angriffs auf Taiwan, wo 70 Prozent aller Hochleistungschips produziert werden, ist real und hätte verheerende Folgen für die Weltwirtschaft. Insofern wäre es hilfreich, spränge die SPD über ihren Schatten und würde aus den Fehlern lernen, die sie als Mitglied der Großen Koalition mit dem russischen Gas machte – und würde beim Thema China handeln statt zu bremsen.

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