zum Hauptinhalt
Die französische Schriftstellerin Annie Ernaux.

© dpa/Michel Euler

Annie Ernaux und ihre „Strike Germany“-Teilnahme: Nur mal so ein bisschen boykottieren

Auch die französische Literaturnobelpreisträgerin ist bei der „Strike Germany“- Kampagne dabei – die Veröffentlichung oder Inszenierung ihrer Texte will sie aber nicht boykottieren.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Als vergangene Woche die Website der „Strike Germany“-Kampagne online ging und zum Boykott öffentlich geförderter Kulturinstitutionen in Deutschland aufrief, war der prominenteste Name auf der Seite der von Annie Ernaux. Eine Überraschung ist die Unterstützung dieser zunächst obskur anmutenden, aber ernst gemeinten Boykottaktion durch Ernaux nicht, mal abgesehen davon, dass die Literaturnobelpeisträgerin von 2022 mit ihrem Namen die Glaubwürdigkeit des Ganzen entscheidend erhöht hat.

Ernaux war 2019 mit über 100 weiteren französischen Künstlern und Künstlerinnen an einem Boykottaufruf der BDS-Bewegung gegen den ESC in Tel Aviv beteiligt. Nicht das erste Mal: Ein Jahr zuvor hatte sie ein BDS-Anliegen gegen eine israelisch-französische Kultursaison unterzeichnet.

Man weiß also, auf welcher Seite die 83-jährige Schriftstellerin steht; Israel ist für sie ein Apartheidstaat, wie es beispielsweise in den von ihr unterschriebenen Petitionen heißt.

Mehr Idee, mehr Solidaritätsadresse

Im Fall der „Strike Germany“-Unterstützung allerdings beeilte sich Ernauxs deutscher Verlag, der Berliner Suhrkamp Verlag, zu versichern, dass Ernaux die Veröffentlichung oder Inszenierung ihrer Texte nicht boykottieren möchte. Also beispielsweise nicht die Aufführungen ihrer Romane „Das Ereignis“, die auf dem Programmplan des Berliner Ensemble steht, oder von der „Der junge Mann“ demnächst in Münster. Und natürlich auch nicht die Veröffentlichung ihres nächsten, wiederum älteren Buches in einer deutschen Übersetzung, „Eine Leidenschaft“, das im Sommer dieses Jahres bei Suhrkamp erscheint.

Konsequent ist das nicht. Das wirkt wie ein höchstens halber Boykott, wenn überhaupt. Oder unterscheidet Ernaux sehr genau, welche Theater und Verlage öffentlich finanziert werden und welche nicht? Eher nicht, muss man vermuten. Ihr scheint es mehr um die Idee eines Boykotts zu gehen, um eine bloße Solidaritätsadresse. Vielleicht ist es trotz ihrer politischen Einstellung auch einfach eine gewisse Nonchalance, mit der Annie Ernaux auf Boykott-Anfragen reagiert. Sie sagt zu, danach schert sie sich nicht weiter drum. Nur gut, dass ihre Bücher umso vieles stringenter sind.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false