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Kulturzentrum Oyoun

© Kulturzentrum Oyoun

Update

Aus für umstrittenes Neuköllner Kulturzentrum Oyoun: Berliner Senat lässt Förderung auslaufen

Nach Kritik an Veranstaltungen mit Bezug zum Nahost-Konflikt hat der Senat ein neues Förderkonzept für den Kulturort Oyoun angekündigt. Dieser gab daraufhin sein Ende bekannt.

„Oyouns Förderung wird gestrichen und der Raum wird im nächsten Monat schließen“, war am Dienstagabend auf der Instagram-Seite des Neuköllner Kulturzentrums zu lesen. Man finde dafür keine Worte und stehe noch unter Schock, schreiben die Verantwortlichen. Die Nachricht kommt nach viel öffentlicher Kritik an der Arbeit von Oyoun seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober.

Der neue Träger der ehemaligen Werkstatt der Kulturen hat sich seit 2020 auf die Fahne geschrieben, „künstlerisch-kulturelle Projekte durch dekoloniale, queer*feministische und migrantische Blickwinkel“ umzusetzen, und „Raum für kritische Auseinandersetzung, reflektiertes Experimentieren und radikale Solidarität“ zu schaffen.

Dieser Raum wurde in den vergangenen Wochen unter anderem der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ zur Verfügung gestellt, die als der Israel-Boykottbewegung BDS nahe stehend gilt und nach dem Angriff der Hamas auf ihrer Homepage schrieb: „Was nun geschehen ist, glich einem Gefängnisausbruch, nachdem die Insassen zur lebenslangen Haft verurteilt wurden, nur weil sie Palästinenser:innen sind“.

Den Berliner Kultursenat veranlasste dies zum Drängen auf eine Absage der geplanten „Trauer- und Hoffnungsfeier“ zum 20-jährigen Bestehen der Jüdischen Stimme, was Oyoun wiederum als Eingriff in die Kunst- und Meinungsfreiheit betrachtete.

„Wir wurden vom Berliner Senat gewarnt, dass künstlerische Freiheit für zu politisch aufgeladene Themen nicht mehr garantiert werden kann“, heißt es in einem „Statement zu Israel, Palästina und Redefreiheit“ von Oyoun. Ein Sprecher des Senats bestätigte diese Formulierung auf Nachfrage nicht.

Zustimmung von allen Parteien

Im Kulturausschuss am vergangenen Montag bekräftigte Kultursenator Joe Chialo (CDU) die Kritik an dem Kulturzentrum. Die Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt setze sich aktiv für die Umsetzung des Berliner Landeskonzeptes zur Antisemitismus-Prävention und gegen jede Form von Antisemitismus ein, sagte Chialo. „Und wenn ich sage, gegen jede Form, dann meine ich auch jede versteckte Form von Antisemitismus.“

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Chialos Worte stießen im Kulturausschuss bei allen anwesenden Parteien auf Zustimmung. „Nie wieder ist jetzt“ dürfe keine Sonntagsrede bleiben, sondern es sei Handeln geboten, betonte Reinhard Naumann (SPD) und zitierte aus einem Flugblatt, das Anfang November vor einer Schule in Neukölln verteilt worden sei und man ihm zugespielt habe.

In dem „Aufruf an die Arbeiterklasse und Jugend“, den „imperialistisch-zionistischen Völkermord in Gaza“ zu stoppen, wird Israels Regierung unter anderem unterstellt, eine „Endlösung der palästinensischen Frage“ anzustreben. In diesem Zusammenhang lädt die Sozialistische Gleichheitspartei zu einer Veranstaltung in den Räumen von Oyoun in der Lucy-Lameck-Straße. Das Datum der Veranstaltung: ausgerechnet der 9. November. Tatsächlich fand sie schließlich am 14. November statt. Louna Sbou, eine der Geschäftsführerinnen von Oyoun, sagte dem Tagesspiegel dazu, dass „die Kurzfristigkeit der Raumanfrage eine genaue Prüfung der Inhalte“ erschwert habe. „Das zitierte Flugblatt wurde uns nicht vorgelegt, und wir bedauern das entstandene Missverständnis, mit diesen Formulierungen in Verbindung gebracht zu werden.“

Deutlich wurde an den Reaktionen im Abgeordnetenhaus auch wieder, wie die AfD die Debatten rund um den Krieg in Nahost nutzt, um ihr Image aufzubessern und gleichzeitig gegen Links zu schießen. „Wir sehen Oyoun auch sehr kritisch“, proklamierte der Bezirksvorsitzende der AfD in Neukölln, Robert Eschricht, das sei ein „Glutnest des akademisierten Antisemitismus“. Man stehe an der Seite der Jüdischen Gemeinde in Berlin.

Anders als das Instagram-Statement von Oyoun suggeriert, gab der Senat am Montag keine „Streichung“ der Gelder für das Kulturzentrum bekannt. Man berate allerdings über „ein neues Profil“ für die landeseigene Liegenschaft in der Lucy-Lameck-Straße. Die Förderung, in deren Rahmen in diesem Jahr rund eine Million Euro an Oyoun flossen, laufe zum Ende des Jahres regulär aus.

Oyoun rechnete mit Förderung bis Ende 2025

Die Geschäftsführung des Kulturzentrums traf diese Ankündigung unvorbereitet, da ihr in einem Schreiben der Senatsverwaltung von 2021 „im Zeitraum 2022 bis 2025 eine vierjährige Konzeptförderung“ in Aussicht gestellt worden war. Laut einem Sprecher des Kultursenats habe es sich dabei allerdings um eine unverbindliche Ankündigung gehandelt, „aus der kein Rechtsanspruch auf eine spätere Förderung resultiert“.

Die Vergabe einer neuen Projektförderung an dem Kulturstandort werde in einem geordneten Verfahren folgen, so Chialo. Dafür könne sich selbstverständlich auch Oyoun bewerben.

Wie die Chancen von Oyoun auf eine neue Förderung stehen, kann sich jeder ausrechnen. Dass der Senat sich vorbehält, im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten politisch motivierte Förderentscheidungen zu treffen, dürfte indes niemanden überraschen.

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