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Das Fridericianum als Zentrum der Documenta. Momentan ist in der Rotunde die Installation Mimikry von Kerstin Brätsch zu sehen, wo sie bis zur nächsten Documenta 2027 bleiben soll.

© imago/Hartenfelser/IMAGO/Peter Hartenfelser

Das Ende der Documenta: Kunsthistoriker empfiehlt eine letzte Ausgabe als Retrospektive

Der in Kassel ansässige Kunsthistoriker Harald Kimpel hält das Modell Documenta für überkommen. Ihre Kernaufgabe, das Neueste zu zeigen, könne sie nicht mehr erfüllen.

Der in Kassel ansässige Kunsthistoriker und Documenta-Chronist Harald Kimpel ist jetzt mit einem überraschenden Vorschlag zur Zukunft der in die Krise geratenen Weltausstellung hervorgetreten: Er empfiehlt ihr Ende, da es keine Lösung für ihre verfahrene gegenwärtige Situation gebe. Nach einem Essay im Magazin „StadtZeit Kassel“ hat er seine Gründe dafür in einem Interview der Frankfurter Rundschau weiter ausgeführt.

Der langjährige Mitarbeiter des Kulturamts in Kassel, der 1996 mit einer Geschichte zur Documenta promovierte und später an ihrem Archiv wirkte, hält die Lage für „so vermurkst, dass wir sagen könnten: Lassen wir es nach sieben Jahrzehnten und 15 Veranstaltungen jetzt gut sein“. Der Documenta sei ihre Kernaufgabe abhandengekommen, das Neueste zu zeigen, ihr Alleinstellungsmerkmal sei zerronnen.

Als größtes Problem der Documenta nennt er die „Entkunstung“, das Ersetzen der Kunst durch Politik. Insbesondere bei der jüngsten Ausgabe sei durch das Vorführen globaler Heilungsverfahren die ästhetische Dimension verloren gegangen. Hinzu käme die nicht endende Verstrickung in Antisemitismus-Vorwürfe.

Eine weitere Gefahr sieht der 74-Jährige in den geplanten „Codes of Conduct“, die bei künftigen Documentas antisemitische Kunstwerke verhindern sollen. Kimpel kritisiert die Einführung solcher Kontrollmechanismen als Bevormundung der künstlerischen Leitung.

Ein neuer Bode soll es retten

Stattdessen empfiehlt er, ein völlig neues Format zu entwickeln. Als Erfinder schwebt ihm eine charismatische Persönlichkeit wie der einstige Documenta-Gründer Arnold Bode vor. Die nächste Documenta sollte noch als große Retrospektive stattfinden.

Kimpels Vorschlag klingt ebenso deprimierend wie erfrischend. So drastisch hat es noch keiner formuliert. Bisher war maximal von Verschiebungen die Rede. Für den Kunsthistoriker aus Kassel mag es reizvoll sein, trägt er doch auf diese Weise seinen eigenen Forschungsgegenstand zu Grabe und könnte sich noch einmal am Finale abarbeiten.

Bleibt zu hoffen, dass es noch nicht so weit ist. Beunruhigend wirkt allerdings bereits, dass es nach wie vor keine neue künstlerische Leitung für die Documenta 16 gibt.

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