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Der Tatort: Die Staatsoper in Hannover.

© dpa/Julian Stratenschulte

Hundekot-Attacke gegen Kritikerin: Wann es Körperverletzung ist und wann Beleidigung

Ein Täter, der sich feiert, ein Opfer, das die Fassung verliert – das Dackelkacke-Attentat von Hannover bestätigt Klischees über den Kulturbetrieb.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Der Vorfall im Hannoveraner Opernhaus, bei dem der Ballettdirektor einer Ballettkritikerin Hundekot ins Gesicht schmierte, mündet in der Trennung von Ballett und Direktor, wie es die Kritikerin zuvor gefordert hatte.

Über den widerwärtigen Übergriff des Choreografen muss nicht diskutiert werden, da er widerwärtig war. Ebenfalls widerwärtig ist ein Interview, in dem er über 18 (!) vom NDR abrufbar bereit gehaltene Video-Minuten eine Schuldumkehr vornimmt und darlegt, wie die Rezensentin die Strafe mit dem „Naturprodukt“ verdient habe.

Man spürt, die Beteiligten in diesem Drama sind ganz bei sich und eigentlich nur dort.

Jost Müller-Neuhof

Entschieden juristisch die Reaktion der Gegenseite: Den „Tatbestand der Körperverletzung“, hat die „FAZ“, das Blatt der Geschädigten, in der „Attacke auf unsere Tanzkritikerin“ festgestellt. Ähnlich urteilt diese selbst („Ich bin noch nie Opfer einer Körperverletzung geworden. Der Mann ist für mich ein Täter“).

Der Blick auf die Rechtsprechung erbringt, dass es sich wohl wie mit den „Anspuck“-Fällen verhält: Gehörten Ekelgefühle und Brechreiz zur Tat und ihrer Ausführung, spricht das für Körperverletzung. Falls nicht, bliebe - ebenfalls strafbar - Beleidigung.

Eine Tatfrage. Details werden unschön sein. Erste Berichte des Opfers deuten eher auf Schockgefühle hin, die überwunden werden konnten („Ich bin selbst darüber erstaunt, wie resilient ich bin“). Im Übrigen gilt die Unschuldsvermutung.

Als Journalistin hat die Betroffene das Geschehen in den berufsmäßig verlangten größeren Zusammenhang gestellt. Sie sprach von einem „Angriff auf die Pressefreiheit“ und zeigte Erstaunen, dass so etwas „nach all den Jahren, in denen dank der MeToo-Bewegung das Verhältnis von Männern und Frauen verhandelt wird“, noch möglich sei. „Ich rechne doch nicht als Frau damit, dass er gegen mich gewalttätig wird.“

Man spürt, die an diesem Drama Beteiligten sind ganz bei sich - und nur dort. Denn mit gesellschaftlichen Fehlentwicklungen, Formen von Gewaltkriminalität oder dem Schicksal der freien Presse hat der Fall beschränkt zu tun.

Eher offenbaren sich in ihm robuste Klischees über einen abgehobenen Kulturbetrieb und seine überdrehten Akteure, zu dem mitunter auch seine professionelle Kritik gehört. Staatstheater, von dem man sich abwenden darf.

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