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Zeichnung Nr. 9 von Miriam Jonas aus der „Distorted Dears Series“.

© Miriam Jonas; Foto: Galerie Russi Klenner

In fremden Betten: Neue Arbeiten der Berliner Künstlerin Miriam Jonas

Ein bisschen besessen muss man schon sein, um sich mit illegal entsorgten Matratzen zu befassen. Miriam Jonas gewinnt ihnen jedoch Überraschendes ab.

Miriam Jonas kämpft mit ihrer Kunst. Man sieht das, ganz unabhängig vom eindeutigen Titel „Wrestler’s“, den eine ihrer keramischen, in der Galerie Russi Klenner ausgestellten Serien trägt. Im Kreuzberger Schauraum hängen außerdem zwei echte, wenn auch verfremdete Matratzen von der Decke – klein wie XL-Postpakete, zusammengeschnürt wie Müll, der unbedingt noch in die Tonne passen soll. Um Ausrangiertes, Entsorgtes handelt es sich bei dem verwendeten Werkstoff tatsächlich: Jonas sammelt die Bettauflagen überall in Berlin ein und nutzt deren sauberen, innen liegenden Schaumstoff.

Später dann findet im Atelier der Formungsprozess statt. Die Matratzen werden von der Künstlerin mit ganzem Körpereinsatz gefaltet und gefesselt, bis sie skulpturale Formen angenommen haben. „Would’ve“ und „Should’ve“, die zwei an Seilen hängende Objekte, sind wunderbare Beispiele für diese Auseinandersetzung. Man erkennt noch ihre Herkunft, zugleich sind sie bis zur Abstraktion – oder im Stil japanischer Bondage-Methoden? – transformiert.

In der Galerie: Die Skulpturen „Would’ve“ und „Should’ve“ hängen im Raum, dahinter ist die Arbeit „Momentum“ sichtbar.

© Miriam Jonas; Foto: Galerie Russi Klenner

Diese Zwiespältigkeit ist ein wichtiges, eigentlich sogar das zentrale Argument für die Verwendung des alltäglichen Materials. In Betten, auf Matratzen wird geliebt, geträumt, geheult. Jede und jeder hat unmittelbare Assoziationen, wenn es um den eigenen Aufenthalt im Bett geht, und wenig kommt uns dabei so nahe wie der schnöde Schaumstoff, auf dem sich die Spuren seiner Benutzer über die Zeit eingraben. Kleine wie große Lebensdramen.

Das vermittelt sich auch in der Ausstellung „Comfort Zone“: Wohin man schaut, überall verknüpft sich das Material mit dem Körper. So eng, dass den Matratzen auf Jonas‘ famosen Buntstiftzeichnungen nackte, rosige Arme und Beine wachsen. Die Verbindung zwischen beiden wird zum Flirt, zum mitunter erotischen Dialog zwischen belebtem und unbelebtem Material. Mischwesen bevölkern die Bettlandschaften, verknäulen sich ineinander, drücken und schieben oder werden bedrängt.

Eine fleischige Riesenhand schiebt gelben Schaumstoff zusammen, der sich zur wellenförmigen Muschel formt. Für rhythmische Strukturen in der Zeichnung „Distorted Series 7“ sorgen schwarze Balken: Querstäbe eines Lattenrosts, der selbst nicht im Bild ist. Dafür tauchen die Balken auch in der räumlichen Inszenierung auf, ziehen sich von der Wand über den Boden bis fast zur Eingangstür der Kreuzberger Galerie.

Ein schmales, meterlanges Bett wäre das – und Jonas, die nach einer Ausbildung zur Bühnenmalerin und -plastikerin an den Kunstakademien in Düsseldorf und Münster studierte, zieht auf diese Art sowohl ein surreales Moment wie Humor in ihre Arbeiten ein. An sich aber geht es um körperliche Zustände, um Anspannung und Loslassen, rauschhafte wie resignative Zustände. Alle ausgedrückt durch die Interaktionen zwischen Mensch und Matratze.

Was passiert im Schlaf?

Impuls dieser Ausstellung, die einen einsaugt oder mit ihrer Intimität herausfordert, auf keinen Fall aber im Neutralzustand lässt, ist das Werk „Phantoms“. Eine kontinuierlich wachsende Sammlung von Fotografien, die Miriam Jonas überall dort macht, wo sie illegal im öffentlichen Raum entsorgte Schaumstoffmatten entdeckt. Die Motive merzt sie mit weißer Folie aus, sodass bloß die Fundstelle sichtbar ist, das Objekt selbst jedoch zur Leerstelle wird.

Füllen lässt sie sich mit Assoziationen über das eigene Verhältnis zum Schlaf. Ein Zustand mit latentem Kontrollverlust, in dem all die von der Künstlerin imaginierten Situationen passiert sein könnten. Wir können uns bloß nicht daran erinnern…

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