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Viktor and Sergiy Kochetov, „Railroad reconstruction between Vovchansk and Bilyi Kolodiaz, 1991.

© Viktor and Sergiy Kochetov/Collection of MOKSOP, Ukraine

Kharkiv School of Photography beim EMOP: Wenn der Krieg kommt, muss die Kunst gerettet werden

Wie man es schafft, ein Fotoarchiv im Exil zu sichern, erzählt Sergiy Lebednyskyy, Direktor eines ukrainischen Fotomuseums, beim European Month of Photography.

Seine Fotos sind in braunen und grauschwarzen Farben gehalten, sie wirken düster, gar unheilvoll, selbst die mit den ausgelassen badenden Menschen. Sergiy Lebednyskyy ist ein in Charkiw geborener Fotograf, seine Fotos wurden in Deutschland, Frankreich, Schweden, Griechenland oder Äthiopien ausgestellt. Seine Heimatstadt im Osten der Ukraine gehört seit dem russischen Angriffskrieg am 24. Februar 2022 zu den am stärksten bombardierten Städten des Landes.

Charkiw ist auch das Zentrum einer facettenreichen Kunstszene. Dort schloss sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Kharkiv School of Photography zusammen, eine Gruppe von acht Künstler:innen. Sie interpretierten die Fotografie jenseits ihres abbildenden Charakters als politisches Statement inmitten sowjetischer Zensur. Ihre Bilder eröffneten einen unverfälschten Blick auf die Wirklichkeit des sowjetischen Lebens.

Die Kharkiv School of Photography prägt inzwischen drei Generationen ukrainischer Künstler:innen. Um diese Arbeit zu würdigen, gründete Sergiy Lebednyskyy 2018 das Museum of Kharkiv School of Photography, kurz MOKSOP.

Bereits einige Jahre vor der Gründung begann Lebednyskyy, vor allem die Arbeit der älteren Generation zu sammeln. Sie wurde zum Kern der Sammlung des MOKSOP. „In der Ukraine gibt es bis jetzt kein staatliches Museum für moderne Kunst. Die Fotografen der ersten Generation der Kharkiv School sind schon weit über 70. Wir wollten ihr unglaubliches Wissen und Erbe bewahren“, sagt Lebednyskyy dem Tagesspiegel.

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Eigentlich ist er Ingenieur, promovierte 2013 im Bereich der mechanischen Verfahrenstechnik an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Der heute 40-jährige Ukrainer sagt, er sei „relativ spät“ zur Fotografie gekommen, damals war er 28 Jahre alt.

2010 gründet er gemeinsam mit den Fotografen Vladyslav Krasnoshchok, Vadim Trykoz und Oleksiy Sobolev die Gruppe Shilo. Das Künstlerkollektiv löste durch ihre kontrastreichen Lithografien, wie sie in Serien wie „Euromaidan“ und „Anti-Terrorist Operation“ zu sehen sind, einen neuen Schwarz-Weiß-Diskurs in der zeitgenössischen ukrainischen Fotoszene aus.

Revolution auf Fotopapier

In Lebednyskyys fotografischer Arbeit treffen sich mehrere Erzählebenen. Die unterschiedlichen Techniken, die er nutzt, sorgen dafür, dass mehr als das Abgebildete sichtbar wird. Selbst in statischen Settings dringt der Geist der Transformation durch. Seine Fotos zeigen unter anderem Bilder der Maidan-Revolution, pro-europäischer Proteste, die im November 2013 abrupt gestoppt wurden.

„Diese Revolution war für die gesamte Ukraine ein sehr wichtiges Ereignis und ist es noch immer“, sagte Lebednyskyy in einem Talk während der Berlin Art Week 2020. „Meine Arbeit ist mit Schwarz-Weiß-Fotofilm gemacht und auf veraltetem sowjetischen Fotopapier gedruckt. Auf diese Weise fange ich diese Art von Ästhetik der Transformation ein, die sehr gut zu Ereignissen wie der Revolution passt.“

Fotosammlung nach Deutschland gerettet

Als der Krieg im Februar letzten Jahres über die Ukraine hereinbrach, sah sich Lebednyskyy gezwungen, die Sammlung des Museums Of Kharkiv School of Photography sowie Privatarchive von Fotograf:innen aus Charkiw nach Deutschland und Österreich zu evakuieren. Finanziert wurde dies von der niederländischen Prinz-Claus-Stiftung für Kultur und Entwicklung.

Angesichts der politischen Umstände im Land will das Museum nicht nur historische Arbeit bewahren, sondern die aktuellen Ereignisse festhalten. So dokumentiert der Fotograf Vladyslav Krasnoshchok, der sich zu Beginn des Krieges in Charkiw befand, die anhaltende Zerstörung nach dem russischen Einmarsch. Das MOKSOP archiviert seine Arbeit.

Das Museum hat es sich zum Ziel gemacht, nicht nur ukrainische Fotografie zu sammeln, sondern auch die Entwicklung der Fotoszene voranzutreiben und eine Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen in der gesamten Ukraine zu fördern.

Ein Blick durch Sergiy Lebednyskyys Linse zeigt, dass die Ukraine nicht erst unmittelbar vor dem Februar 2022 vom Krieg bedroht war. Die Widerstandsbewegung, die daraus resultierenden Proteste und schließlich der Angriffskrieg, all diese Ereignisse finden sich in den Werken ukrainischer Fotograf:innen wieder.

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