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Debora Antmann

© privat

Kolumne „Schlamasseltov“ : Das links-aktivistische Berlin überlässt die Antisemitismus-Debatte rechten Populisten

Antirassistische, queerfeministische und diskriminierungskritische Akteur*innen in Berlin sehen es nicht als ihre Aufgabe, Gewalt an Jüd*innen zu kommentieren. Die Folge ist rechtspopulistische Instrumentalisierung.

Eine Kolumne von Debora Antmann

Die Rias-Studie zu antisemitischen Vorfällen in Berlin 2022 ist erschienen. Die Vorfälle sind zurückgegangen, die Gewalt aber nicht. Das ist im Grunde das Fazit, das man in den Medien lesen kann. Gesäumt von den immer gleichen Bildern von Männerhinterköpfen mit Kippa – hier und da mal eine sinnlose Menora in einem random Fenster.

Ähnlich wie Zahlen rund um homofeindliche Übergriffe, steht die rassistische Instrumentalisierung solcher Berichte in Berlin ganz hoch im Kurs. Schuld an der Gewalt gegenüber marginalisierten Gruppen haben angeblich andere marginalisierte Gruppen. Das unterfüttert das eigene Weltbild und beflügelt die eigene Agenda. Da kann man dann auch mal für fünf Sekunden besorgt um Homos oder Juden sein.

Und als wäre das nicht schlimm genug, sorgt das wiederum dafür, dass für die meisten Berliner antirassistischen, queerfeministischen und diskriminierungskritischen Akteur*innen Gewaltreports zu Jüd_innen rassistisch verbrannte Erde sind. Sie werden also entweder ignoriert oder es ertönt lediglich Empörung über ihre rechtspopulistische Interpretation. Kaum über die Gewalt selbst.

Im Grunde passiert in Berlin folgendes: Berliner antirassistische, queerfeministische und diskriminierungskritische Akteur*innen sehen es nicht als ihre Aufgabe Zahlen, Berichte und Vorfälle zu und von Gewalt an Jüd*innen aufzugreifen und eine eigene Debatte dazu aufzubauen. Als Folge gibt es bei dem Thema vornehmlich rechtspopulistische Instrumentalisierung. Ätzend.

Noch ätzender: Die gleichen Berliner antirassistischen, queerfeministischen und diskriminierungskritischen Akteur*innen reagieren darauf mit: Wir beschäftigen uns nicht damit, das ist uns alles zu rechts/ zu rassistisch. Exactly! Wenn niemand einen linken Diskurs zu Gewalt an Jüd_innen führt, bleibt eben nur der rechte Populismus! Eure Verweigerung ist nicht nur eine Ausrede, es ist die Ursache! Ursache dafür dass antisemitische Gewalt in Berlin fast nur im Kontext rassistischer Instrumentalisierung eine Rolle spielt. Danke dafür!

Ihr seid mitverantwortlich, dass Neukölln zur vermeintlichen NoGo Area erklärt wird, es aber kaum Mobilisierung gibt, wenn eine jüdische Kneipe in Lichtenberg niedergebrannt wird. Nur so nebenbei: Ganz Deutschland ist eine verdammte NoGo Area für Jüd_innen.

Berlin ist grausam, nicht weil es hier (wie überall) gefährlich für Jüd_innen ist, sondern weil für jene, die unsere Allies sein sollen, Gewalt gegen uns nichts weiter als ein rechtes Narrativ ist. Dem ihr Tür und Tor öffnet, statt laut und vehement an unserer Seite zu stehen.

Diese Kolumne erscheint zweiwöchentlich und beschäftigt sich mit dem jüdischen Leben in Berlin.

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