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Debora Antmann

© privat

Jüdisches Leben in Berlin: Wo wir uns verorten

Jüdische Orte sind Räume jüdischer Verortung, nicht Gebäude und ganz sicher nicht Mahnmale. Die zweite Folge der Kolumne „Schlamasseltov“.

Eine Kolumne von Debora Antmann

Eine E-Mail wie viele in meinem Postfach: eine Interviewanfrage zu mir und meinem jüdischen Leben. An einem Ort, der mich widerspiegelt, wäre gut. Ein Park? Man hätte eher an was symbolischeres gedacht. Was mit mehr Aussage. Das Holocaust-Mahnmal beim Brandenburger Tor sei ja optisch sehr eindrucksvoll. Finde ich unpassend? Ah ja. Vielleicht die Synagoge in der Oranienburger Straße? Die sei ja auch so ein Symbolbild für jüdisches Leben in Berlin.

Was die Synagoge mit mir zu tun hätte? Ach so, hm. Welche Synagoge sei denn meine? Keine. Ah. Ob mir was anderes einfiele? Vielleicht ein israelisches Restaurant, in das ich besonders gerne ginge? Davon gäbe es ja in Berlin inzwischen einige.

So oder so ähnlich laufen die meisten Anfragen ab, in denen Medienschaffende sich in den Kopf gesetzt haben, ein „jüdisches Berlin“ und mich als Teil davon zu zeigen. Ich muss wohl nicht erklären, warum es problematisch ist, Jüd_innen für Bilder und Filme vor das Holocaust-Mahnmal setzen zu wollen oder vor irgendeine beliebige Synagoge.

Aber es gibt eine weitere Ebene von „problematisch“, die viele bei dem Versuch, das Jüdische in dieser Stadt zu porträtieren, übersehen: Ich werde nicht jüdischer durch eine Synagoge im Hintergrund – und erst recht nicht durch ein Holocaust-Mahnmal (maximal deutscher).

Jüdische Orte sind Räume jüdischer Verortung, nicht Gebäude und ganz sicher nicht Mahnmale. Orte werden jüdischer durch unsere Anwesenheit, weil wir sie zu unseren Orten machen, ohne dass wir Davidsterne draufpinseln oder „Israelisches Restaurant“ draufschreiben müssen.

Ihr wollt Symbolbilder eines (imaginären) jüdischen Berlins? Das wäre es: wir in Selbstverständlichkeit überall. Es wäre jüdisches Leben in Berlin, in dem Moment, in dem wir die Stadt außerhalb der Institutionen gestalten. Wo und wie wir wollen. Und zwar lebendig, gegenwärtig und alltäglich. Berlin wird jüdischer durch uns. Durch jede*n einzelne*n von uns und nicht andersherum.

Vor Berlins jüdischen Symbolkulissen stehen zu sollen, bedeutet der Rest der Stadt wird uns nicht als jüdischer Ort zugestanden. Es zeigt, wie groß das Missverständnis zwischen Selbstverortung und verortet werden in dieser Stadt ist. Denn ich verbringe meinen jüdischen Alltag weder vor dem Holocaust-Mahnmal, noch hängt irgendjemand einfach so vor Synagogen rum. Sicherheitsrisiko und so …

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