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Debora Antmann

© privat

Kolumne Schlamasseltov: Silvester, die Nacht der Widersprüche

Unsere Kolumnistin hasst Knallerei, liebt aber die Vorstellung, dass am 31. Dezember die Beschneidung von Jesus gefeiert wird. Kai Wegner hat ihr allerdings nun auch diese Freude verdorben.

Silvester: Eine Berliner Kontroverse der besonderen Güte. Und auch als Jüdin befinde ich mich in einem Wechselbad der Gefühle. Auf der einen Seite HASSE ich die Knallerei. Auf der anderen erfüllt mich der Gedanke einer ausschweifenden und hoch emotionalisierten Beschneidungsparty mit einer befriedigenden Belustigung. Denn wenn der jüdische Junge Jesus am 24.12. geboren wurde, ist die Party eine Woche später nun mal seine Brit Mila.

Ich kann also nicht anders, als schelmisch zu grinsen, wenn Deutsche ihr Recht zu böllern bis aufs Blut verteidigen, um eine vermeintliche Leitkultur zu bewahren – eine Leitkultur, die wohlgemerkt christlich ist – bei der es aber eigentlich darum geht, zu einer jüdischen Party eingeladen zu werden: Die Sause, bei der Jesus in den jüdischen Bund aufgenommen wird. Es erinnert an US-amerikanische Popkultur, wo die Einladung zur Bar Mitzwa das Nonplusultra ist.

Böllern mit und ohne Migrationshintergrund

Und ich könnte all das genießen, wenn da nicht der Rassismus wäre, der die Negativseite von Silvester unerträglich macht. Denn während Deutsche ihr Recht auf selber böllern am liebsten als Grundrecht zementiert sähen, ist jeder Mensch mit „Migrationshintergrund“, der einen Feuerwerkskörper in die Hand nimmt, ein Straftäter, eine Gefahr für die Nation. Wenn es um Sprengstoff geht, ist Integration offenbar plötzlich nichts mehr wert. Oder jegliches Fehlverhalten mit Böllern wird plötzlich „den Migranten“ zugeschrieben. Da wird dann auch Staatsbürgerschaft ignoriert und man muss zur Sicherheit erstmal Vornamen abfragen (damit ist übrigens 2019 schon die AfD auf die Fresse geflogen).

Besonders unerträglich wird es als Jüdin in Berlin dann, wenn die Polizei als Reaktion auf Krawalle in Wehrmachtsmanier auf Machtdemonstration setzt. All ihre wunderbaren Spielzeuge rausholt und ausgestattet mit zum Beispiel Maschinengewehren, die Stadt in Ausnahmezustand versetzt. Da helfen dann auch keine Spitzfindigkeiten über die Vorhaut von Jesus mehr. Da wird die Nacht, die in Berlin ohnehin schon wie Krieg klingt, und dank der mit Sprengstoff geschwängerten Luft auch so riecht, mithilfe der Polizei zur Reinszenierung all unserer Albträume. Danke Wegner, danke Spranger.

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