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Bis heute liegt die Arbeit auf Kaffeeplantagen in Menschenhand. Aber der Klimawandel bedroht die Anbaugebiete am Äquator.

© dpa/Long Lei

Kulturgeschichte des Kaffees: Sklaven, Militär und Klimawandel

Das Buch „Kaffee. Eine Geschichte von Genuss und Gewalt“ vereint drei Expertisen zu vielfältigen Perspektiven auf unser aller Lieblingsgetränk.

Der Legende nach brachten die Türken den Kaffee mit ihrem Heer nach Westeuropa, genauer: vor die Tore Wiens. Als sie 1683 ihre Belagerung abbrachen, hinterließen sie einige Säcke mit seltsamen Bohnen, die ein findiger Offizier zu rösten wusste. Bald darauf eröffnete er ein Kaffeehaus.

Es war allerdings nicht das erste seiner Art im Westen, sondern lediglich in der Habsburgerstadt. In Venedig oder Marseille tranken Seeleute schon seit einigen Jahrzehnten ganz selbstverständlich Kaffee.

Toni Keppeler, Laura Nadolski und Cecibel Romero legen mit ihrem glänzend recherchierten Buch „Kaffee – Eine Geschichte von Genuss und Gewalt“ eine Art Kulturgeschichte des Getränks vor. Die drei bilden gemeinsam Latinomedia, ein in Tübingen und San Salvador ansässiges Journalismus-Büro für deutsche und lateinamerikanische Medien.

Crashkurs in Kaffeeanbau

Man kann die Schwerpunkte des Buchs von ihren beruflichen Hintergründen ablesen. Ein langjähriger Korrespondent, eine ehemalige Kaffeeproduzentin und Verkosterin sowie eine Umwelt- und Klimawissenschaftlerin treffen hier aufeinander.

Am Anfang steht ein Crashkurs in Kaffeeanbau. Als Saatgut verwendete Bohnen werden in eine Sandschicht gesteckt und die aus ihr sprießenden Setzlinge zunächst in einer Halle vor der Witterung geschützt. Haben sie eine gewisse Höhe erreicht, kommen sie aufs Feld, wo sie mit den ersten Schauern der Regenzeit Blüten bilden, auf die Kaffeekirschen folgen, die erst grün sind und sich später rot färben.

Von den Rhythmen der Pflanze hängen bis heute ganze Regionen ab, so richten sich etwa die Schulferien in Lateinamerika nach ihnen. Vor allem für die Ernte sind viele Arbeitskräfte vonnöten. Sofern dafür keine Maschinen eingesetzt werden, pflücken sie noch heute die Kirschen und sortieren sie. In der folgenden Aufbereitung wird die Bohne vom Fruchtfleisch getrennt, getrocknet und geröstet.

Für die Produktion kommen nur die Arten Arabica und Robusta infrage. Arabica-Sorten sind deutlich schmackhafter, allerdings sind sie auch anfälliger für Schädlinge. Befällt der gefürchtete Pilz „Kaffeerost“ eine Pflanze, ist schnell die gesamte Plantage verloren.

Barista-Art. Die Nachfrage nach „Third Wave“-Bohnen aus „Fair Trade“-Anbau ist in den vergangenen zehn Jahren angestiegen.

© dpa/Nicolas Armer

Robusta dagegen ist deutlich widerständiger und pflegeleichter, leider aber auch deutlich weniger schmackhaft, weshalb der kommerzielle Erfolg lange auf sich warten ließ. Nur die Niederländer importierten lange große Mengen Robusta-Bohnen. Nachdem in ihren Kolonien der Kaffeerost über die Pflanzen hergefallen war, blieb ihnen nur Robusta und man gewöhnte sich an den bitteren Geschmack.

Instant-Kaffee fürs Militär

Inzwischen ist die Sorte vor allem in preisgünstigen Mischungen enthalten sowie in Instant-Produkten. Diese wurden aus militärischen Gründen populär. Wie die Autoren schreiben, avancierte Kaffee seit dem Amerikanischen Bürgerkrieg zum Grundnahrungsmittel von Soldaten. Vom Koffein versprach sich ein General sogar so große Auswirkungen auf den Verlauf von Schlachten, dass er seine Angriffe nach dem Höhepunkt der Konzentration im Blut seiner Männer ausrichtete.

Doch der Kaffee war aufwändig in der Zubereitung, die Soldaten mussten die Bohnen selbst rösten. Im Ersten Weltkrieg versorgte die US-Regierung ihr Militär dann mit dem inzwischen erfundenen Instant-Kaffee. In den Dreißigerjahren stieg der Schweizer Konzern Nestlé in das Geschäft ein und belieferte später sowohl die Alliierten als auch die Wehrmacht.

Kolonialmächte profitierten

Keppeler, Nadolski und Romero finden noch viele weitere Berührungspunkte von Genuss und Gewalt. Besonderes Augenmerk legen sie auf lateinamerikanische Staaten wie Guatemala, El Salvador oder Kolumbien, deren Wirtschaften zeitweise vom Kaffeeanbau abhingen – und teilweise noch heute abhängen. Von dieser Lage profitierten meist nur wenige Eliten wie Kolonialisten, diktatorische Regime oder Großkonzerne, während Indios, afrikanische Sklaven und die Landbevölkerung entweder enteignet, zur Zwangsarbeit gezwungen, vertrieben oder getötet wurden.

Es steckt eine Menge Geschichten in einer Tasse Kaffee, und viele Probleme. Zu ihnen gehört auch die große Belastung des Klimas, die vor allem dadurch entsteht, dass Wälder den Plantagen weichen. Ein Großteil des atlantischen Regenwalds in Brasilien ist in Folge von Brandrodungen für immer verloren. Wie die Autoren prognostizieren, werden die klimatischen Veränderungen für die Kaffeeproduktion selbst nicht ohne Folgen bleiben. Schon heute ist es in vielen Anbauregionen zu warm, zudem ist der Rhythmus von Regen- und Trockenzeit gestört.

Im Schlusskapitel geben die Autoren ihrer Leserschaft Hinweise auf ökologisch und sozial möglichst vertretbare Konsumentscheidungen. Ihre Faustregeln: Keine Vollautomaten verwenden und keine Produkte von großen Röstereiketten kaufen. Besser sind solche mit Fair-Trade-Siegeln oder direkt vom Erzeuger bezogene Bohnen. Dabei sei idealerweise auch auf die Anbaumethode zu achten. Je mehr Schattenbäume auf der Plantage stehen, umso besser fürs Klima.

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