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Die Kunstbuchmesse Miss Read hat in diesem Jahr ihren Schwerpunkt auf unabhängigen Verlagen und Publishern aus Asien und dem Mittleren Osten.

© Jan Sobotka

Kunstbuchmesse Miss Read im HKW: Talks, Lesungen und besondere Bücher

Publizieren als Kunst und Aktivismus: eine Kunstbuchmesse im Haus der Kulturen der Welt bringt unabhängige Verlage aus 50 Ländern zusammen.

Die Kunstbuchmesse Miss Read hat sich seit ihrer Gründung 2009 kontinuierlich zu einem Treffpunkt der Szene entwickelt. An diesem Wochenende findet die Veranstaltung zum 15. Mal statt.

Der Standort ist wie schon zuvor das Haus der Kulturen der Welt, dort präsentieren sich unabhängige Kunstbuchverlage, publizierende Künstler:innen, kleine Kunstmagazine, Zines, etabliertere Publikationen wie „Texte zur Kunst“ sowie Verlage mit Theorieschwerpunkt wie MIT Press. Aber es geht nicht nur darum, Bücher auszustellen und zu verkaufen. „Kunstbuchmessen sind ein zentrales Forum für die Konstituierung dieser Szene“, sagt Künstler Michalis Pichler, der Miss Read mitgegründet hat.

Das subversive Potenzial von Büchern

Das Buch als Medium für Kunst, Publizieren als künstlerischer aber auch politischer Akt, eine Gegenstimme zu den Programmen der großen Verlage zu schaffen, darum geht es den Beteiligten. Der Bereich ist seit etwa zehn Jahren im Aufwind, allerdings ändern sich die Begriffe.

„Wenn die 1960er und 70er Jahre die Blütezeit der Künstlerbücher waren, so erscheinen die 2010er und 20er Jahre als die Blütezeit von ,Publishing as Artistic Practice‘“, sagt Pichler. Der Begriff „Künstlerbuch“ sei aus seiner Sicht problematisch, weil er das subversive Potenzial von Büchern einschränke, indem er sie mit einem Kunstetikett versehe. Genau das will man eben nicht: In Bibliotheken in der „Rare Books“-Abteilung verschwinden.

Im Haus der Kulturen der Welt treffen sich seit Freitagabend 340 Aussteller aus mehr als 50 Ländern. „Es ist die bisher größte, vor allem aber auch vielfältigsten Ausgabe“, sagt Pichler. Der Schwerpunkt liegt in diesem Jahr auf Ausstellern aus Asien und dem Mittleren Osten, etwa 50 Aussteller kommen aus der Region. So wie Doooogs aus Peking und Berlin, Fever Dog aus Shanghai, Ghost Books aus dem südkoreanischen Daegu oder Gueari Galeri aus Jakarta.

Schwerpunkt Asien und Naher Osten

In den vergangenen Jahren hat Miss Read sich bemüht, seine auf Europa und den angloamerikanischen Raum beschränkte Perspektive zu weiten. Selbst die sehr internationale und netzwerkorientierte Szene der Kunstbuchmessen hatte ihre blinden Flecken. Es waren bis vor kurzem so gut wie keine Teilnehmenden aus afrikanischen und asiatischen Ländern präsent. Trotz der internationalen Open Calls, über die etwa Miss Read ihre Teilnehmer:innen rekrutierte.

2020 planten Pichler und Team erstmals gezielt Stimmen aus dem globalen Süden einzuladen. Wegen Corona konnte dann aber zwei Jahre lang keine Messe stattfinden. So entstand das Buch „Decolonizing Art Book Fairs. Publishing Practices from the South(s)“. Es vereint Beiträge von Publishern etwa aus afrikanischen Ländern, Brasilien und der Diaspora jenseits der westlichen Metropolen. Pichler hat sich dafür Mitstreiter:innen aus der Region gesucht.

Mitherausgeberin ist etwa Pascale Obolo, die alle zwei Jahre die African Art Book Fair in Dakar veranstaltet und die inzwischen Co-Direktorin bei Miss Read ist. Beteiligt war auch der kamerunische Journalist Parfait Tabapsi. Tabapsi gibt seit 13 Jahren in Joundé die Kulturzeitschrift „Mosaiques“ heraus. Sie versammelt Beiträge zu Kunst, Literatur, Poesie, Kulturtheorie und -politik in französischer und englischer Sprache, von teils sehr bekannten Denkern, Autoren und Kritikerinnen.

Unabhängige Verleger auf dem afrikanischen Kontinent

Auch Tabapsi ist in diesem Jahr mit einem Stand in Berlin vertreten. „Mosaqiues“ über die Jahre aufrechtzuerhalten sei seine Leidenschaft und ein Kraftakt, sagt er. Mal gebe es finanzielle Unterstützung, oft nicht. Tabapsis Ziel ist es, finanzielle Mittel für eine größere Auflage der Zeitschrift zu finden. „Mosaiques“ möchte er in Kamerun an städtischen Kunstschulen und Hochschulen an Studierende verteilen, neue Zielgruppen erschließen.

Der Vertrieb ist eine der größten Herausforderungen in Ländern wie Kamerun mit schwachem Buchmarkt, in denen es Buchhandlungen oft nur in größeren Städten gibt. Es fehlen Förderungen für Autoren oder Herausgeber, es gehen kaum Stipendien, Preise, Auszeichnungen an die Akteure, etwa in Subsahara-Afrika.

Miss Read macht hier seinen eigenen Anfang. Diesmal wurden über ein BIPoC-Stipendium fünf unabhängige Publisher aus der Community eingeladen. So ist zum Beispiel die Schwarze Kinderbibliothek Deutschland aus Bremen dabei, die sich auf Kinderbücher mit BIPoC- und queeren Held:innen spezialisiert hat. Oder auch das Künstlerkollektiv Further Reading aus Bandung, die Publikationen rund um das Thema Design herausgeben.

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