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Es gab sie mal, die guten Dinge. Das Kofferadio Puck wurde 1951 von Albert Krause entworfen.

© Stiftung Haus der Geschichte/Stephan Klonk

"Alles nach Plan?" in der Kulturbrauerei Berlin: Made in GDR

Das Museum in der Kulturbrauerei zeigt eine Überblicksausstellung zum DDR-Design: „Alles nach Plan?“.

Signalrot, quer geriefelt und mit einem weißen Trageriemen und zwei Drehknöpfen akzentuiert – Albert Krauses 1951 entworfenes, todschickes Kofferradio „Puck“ lässt keinen Zweifel an der ästhetischen Qualität des Sozialismus zu. So sollte sie idealerweise sein, die DDR-Warenwelt: klar, funktional, ja im Fall dieses kleinen Geräts, das auch in Grün und Blau produziert wurde, fast beschwingt und technisch innovativ. Puck ist aus einem neuen, Meladur genannten Kunststoff hergestellt. Zu begutachten in der neuen Wechselausstellung „Alles nach Plan?“ gleich neben der ständigen Schau „Alltag in der DDR“ im Museum in der Kulturbrauerei.

Ist das nun Zufall oder die längst fällige Rehabilitierung des DDR-Designs auch in Berlin, wo es bislang keine Überblicksausstellung dazu gab? Nach der im März im Museum der Dinge in Kreuzberg eröffneten Schau „Masse und Klasse“ über Gebrauchsgrafik ist die in Prenzlauer Berg über „Formgestaltung in der DDR“ nun schon die zweite, die sich dem Look des Ostens widmet.

Offensichtlich ist die Zeit mehr als 25 Jahre nach dem Mauerfall reif dafür, sich vom Klischee komplett trister sozialistischer Konsumgüter zu verabschieden. Oder, wie der Doyen des DDR-Designs, der Berliner Publizist Günter Höhne, im Gespräch sagt: „Das ist Zeitgeist.“ Immer mehr Leute begriffen heute, dass die Grenzen des Wachstums erreicht seien. „Also stoßen die von der Mangelwirtschaft geprägten DDR-Standards wie Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Wiederverwertbarkeit auf großes Interesse bei Produktentwicklern.“

Entweder ein gesamtdeutsches Designmuseum oder gar keins

Eine einleuchtende These, der auch die Ausstellungsmacher im Museum der Dinge anhängen, die der Kurator, Sammler und Buchautor Höhne genauso wie die in der Kulturbrauerei mit Leihgaben unterstützt hat. Ein eigenes Museum für DDR-Design will er trotzdem nicht haben. „Entweder ein gesamtdeutsches Designmuseum oder gar keins.“ Viel besser sei es, die Qualität der Gegenstände auch im internationalen Kontext zu zeigen. „Sonst wird nur wieder eine Käseglocke über die DDR gestülpt.“

Bunte Truppe. Die Isolierkannen-Serie Typ 750 stammt von 1959, Entwurf: Margarete Jahny. Und das legendär robuste Handrühr- und Mixgerät RG 28s hat Kurt Boeser 1979 geschaffen.

© Stiftung Haus der Geschichte/Johannes Kramer

Elf Jahre hat es in der Kulturbrauerei gedauert, bis eine Auswahl von 250 Objekten und 250 Fotos aus der 2005 dort eingemotteten Sammlung des Amts für industrielle Formgestaltung der DDR nun wieder gezeigt werden kann. Eine stolze Zeitspanne, die immer mal wieder Unwillen über die Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ ausgelöst hat, die die Sammlung pflegt und aufarbeitet. Und tatsächlich kann die über einen Vorraum und zwei weitere Räume verteilte Schau angesichts einer eigentlich 160 000 Gegenstände, Fotos, Dokumente und Bücher umfassenden Sammlung auch nur ein Anfang sein. Zu groß ist die ästhetische, ökonomische und politische Komplexität des Themas, zu vielfältig die Warenwelt, immer weiter entfernt die historische Realität und zu spannend und bewegend die Zeitzeugengeschichten, die per Video und Audio zu erleben sind.

Ein Trinkglas fürs Leben - das war das Ziel

Eine von denen, die da erzählen, ist Marlies Ameling aus Wernigerode. Sie hat in Halle an der Burg Giebichenstein, also in schönster Bauhaus-Tradition, Glas- und Porzellangestaltung studiert, und dann bis 2004 viele Jahrzehnte in der Manufaktur Harzkristall in Derenburg gearbeitet. In den 80ern wurde sie mehrfach für zeitlos elegante Glasserien wie die nach Gorbatschow benannte Linie „Misha“ mit der „Gutes Design“-Medaille der Leipziger Messe ausgezeichnet. Mit der Designerin zu sprechen, eröffnet Einblicke: Einmal in das Absurdistan der SED-Planwirtschaft, die wegen Trinkglasmangels Produktionssteigerungen von einer Handwerksglashütte verlangte, die ihre mundgeblasene Stückzahl gar nicht steigern konnte. „Also habe ich unsere Vasen zum ,Mehrzweckkelch‘ getrimmt – furchtbar! – und damit die politische Forderung erfüllt.“ Und zum anderen in das Berufsethos der Formgestalter, wie sich die DDR-Designer in bewusster Abgrenzung zu kurzfristiger marktgesteuerter Bedürfnisbefriedigung nannten. „Unser Ziel waren langlebige Produkte – ein Trinkglas fürs Leben.“ Was dann in schöner Regelmäßigkeit wieder durch die von Rohstoff- und Energiemangel geprägte Produktionsrealität vereitelt wurde, wie Ameling plastisch zu schildern weiß. Dass es mit der Güte der volkseigenen Produkte nicht immer zum Besten stand, dokumentieren heute kurios anmutende Fernsehbeiträge wie „Kummer mit der Qualität“ von 1977. Darin untersucht ein Reporter beim VEB Schreibgeräte Wernigerode die Ursachen für das Problem der ewig kratzenden und klecksenden Heiko- Schulfüller.

Volkseigener Quirl. Das legendär robuste Handrühr- und Mixgerät RG 28s hat Kurt Boeser 1979 geschaffen.

© Stiftung Haus der Geschichte/Johannes Kramer

Viele der gezeigten zeitlos modernen und schönen Gestaltungspreziosen bestechen dagegen durch ihre robuste Funktionalität. Der Handmixer RG 28s beispielsweise, der sich auch heute noch in ostdeutschen Haushalten unbeirrt durch die Teigwaren quirlt. Allerdings hat längst nicht jedes Erzeugnis „Made in GDR“ auch in Erster-Wahl-Qualität den Weg auf den heimischen Markt gefunden. Schienenfahrzeuge, Elektrogeräte, Möbel, Glas- und Porzellanartikel sind für den Export bestimmte Devisenbringer. In der Breite der Produktpalette und der Güte der großen Serien sei die DDR der Star des Ostblocks gewesen, stellt denn auch Günter Höhne fest. „Das lag an der Tradition des deutschen Industriedesigns. Die sowjetische Produktkultur dagegen war grauenhaft.“ Nicht zuletzt der aus dem Export resultierende Konsumgütermangel schürt in den 80ern die Unzufriedenheit der Bürger. Auch das erzählt das zum Verständnis von „Alles nach Plan?“ unverzichtbare, gelungene Begleitbuch der Historikerin Gabriele Zürn.

Was Geschmacklosigkeit gepaart mit ideologischer Verblendung anrichten kann, dafür steht die aus der UdSSR importierte Formalismuskampagne der SED, in der sie 1951 das Bauhaus-Erbe verdammte. Leidtragende sind der Architekt Mart Stam und die Keramiker Hedwig Bollhagen und Hubert Petras, deren ursprünglich schlicht weiße, zylindrische Vasen nur mit kitschigem Dekor auf den Markt kommen. „Wir hatten eine Führung von grausamen Banausen“, seufzt Günter Höhne, der in der DDR Chefredakteur der Fachzeitschrift „form+zweck“ war. „Ulbricht hat als Tischler noch Schreibtische mit Löwenfüßen gemacht und Honecker hatte überhaupt keinen Zugang zur Ästhetik.“ Ganz im Gegensatz zu den Formgestaltern der DDR.

"Alles nach Plan? - Formgestaltung in der DDR", bis 19. März 2017 im Museum in der Kulturbrauerei, Knaackstr. 97, Di–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr, Begleitbuch 9,80 €

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