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Der Radweg auf der Kantstraße sorgte für Beruhigung vor Christoph Martis Balkon.

© imago/Jürgen Ritter/imago/Jürgen Ritter

Mein Sommer in Berlin:: Die Sonnenseiten der Kantstraße

Schauspieler und Sänger Christoph Marti, auch bekannt als Ursli Pfister, lebt seit 30 Jahren in Charlottenburg. Zwei Monate im Jahr hat er Morgen- und Abendsonne auf dem Balkon.

Ein Kommentar von Ursli Pfister

Mein Sommer in Berlin liegt an der Kantstraße, hier lebe ich seit mehr als 30 Jahren. Cléo, eine feuerige Chordame, mit der ich Ende der 80er Jahre auf der Bühne des Schillertheaters zu tun hatte, hat mir die Wohnung besorgt, beim Anbandeln nach einer Vorstellung mal, nachts in der Schillerklause.

Ist an einen Wohnungsmakler geraten, wusste um meine desolate Situation, hat sofort zugegriffen und mir am nächsten Tag einen Zettel mit einer Telefonnummer überreicht. „Den kannste anrufen, der hat ‘ne Wohnung für dich.“

Zwei Tage später hatte ich den Vertrag unterschrieben, ein kleines Wunder, denn niemand hat damals seine Wohnung abgetreten, man hat einfach immer weiter untervermietet. Vorher aber, am Tag der Besichtigung, haben mich doch Zweifel gepackt, ob ich ein Leben an der Kantstraße überhaupt aushalten werde, so laut und dreckig, wie sie damals war.

Der schon über 90-jährige Kurt von Ruffin, mit dem ich zu der Zeit gleich in zwei Produktionen besetzt war, hat einmal die große Elsa Wagner zitiert mit den Worten: „Die Kantstraße ist das unpersönlichste, was Berlin zu bieten hat.“ Dieser Satz gilt heute nicht mehr.

Zwei Monate Abend- und Morgensonne

Ich habe bald nach meinem Einzug unerwartet positive Eindrücke der Straße bekommen. Im Sommer, wenn die Sonne genau über dem Anfang der Kantstraße im Osten aufgeht, und abends genau über ihrem Ende im Westen untergeht, auf einmal ist da eine Morgen- und eine Abendsonne auf unserem Balkon. Gute zwei Monate nur, dann ist der Zauber schon wieder vorbei.

Richtig aufwärts ging es mit der Kantstraße nach dem Fall der Mauer, als in den 90er Jahren überall Asiatische Imbisse aus dem Boden schossen, einer leckerer als der andere und mit einem fantastischen Preisleistungsverhältnis.

Die Krönung war dann aber während der Pandemie der Pop-up Radweg, der dafür gesorgt hat, dass endlich Tempo 30 eingehalten wird. Gastronomen durften rausstuhlen bis an der Straßenrand, die Kantstraße war dabei, sich in eine Piazza zu verwandeln.

Inzwischen hat die Regierung gewechselt, die Verkehrsministerin der CDU will uns den Pop-up Radweg wieder wegnehmen und ihn durch eine Busspur ersetzen - auch gut. Schönheit gibt es immer und überall zu entdecken. Durchhalten wird belohnt.

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