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Magdalena Kožená

© Julia Wesely

Mit impressionistischer Unschärfe: Magdalena Kožená und Mitsuko Uchida im Boulez Saal

Zwei sehr unterschiedliche Künstlerinnen interpretieren Stücke von Debussy und Messiaen - und lassen dabei musikalische Funken sprühen.

Zwei deutsche Komponisten sind unsichtbar anwesend bei diesem rein französischen Konzert im Boulez Saal, das als „Liederabend“ zu bezeichnen problematisch ist. Denn das Genre „Lied“ wird, auch in Frankreich, unverbrüchlich mit Franz Schubert assoziiert, so dass Claude Debussy andere Bezeichnungen nutzt: „Chanson“ oder „Ariette“.

In seiner Vertonung der „Cinq poèmes de Baudelaire“ mischen sich auf schillernde Weise Schuberts große Kunst, eine Situation, eine Stimmung musikalisch pointiert auszudrücken, mit der impressionistischen Unschärfe französischer Musik – und dem emotionalen Überschwang Richard Wagners, den Debussy zu dieser Zeit noch bewundert hat.

Gipfelige Höhen

Magdalena Kožená schürt diese Gefühlsaufwallungen zusätzlich an, mit meist feurig loderndem oder intensiv glühendem Mezzo, den sie in langean Anläufen in gipfelige Höhe führt, um sich dann dort mit ganzer Kraft zu verströmen. Die eigentliche Sensation des Abends ist aber ihre Partnerin am Klavier, Mitsuko Uchida – die einem ganz anders gelagerten ästhetischen Ideal folgt, still und doch enorm kraftvoll und verlässlich. Hier die expressiv nach außen gerichtete Gesangsstimme Koženás, dort der inwendig seine Kraft entfaltende Anschlag Uchidas: Das reibt sich, es knirscht, Funken sprühen, die auch produktiv sind.

In den später entstandenen „Chansons de Bilitis“ hat Debussy seine Wagner-Begeisterung schon überwunden, wenngleich sie in der dichten Chromatik noch allenthalben spürbar ist, doch der Duktus dieser drei Stücke ist meditativer, abendstiller, voller nächtlicher Ehrfurcht.

Die frühesten Stücke kommen zuletzt

Kožená und Uchida gehen chronologisch rückwärts, die frühesten Stücke kommen zuletzt: „Ariettes oubliées“ auf Gedichte von Paul Verlaine. Für das zentrale „Chevaux de bois“ („Karussellpferde“) hat Debussy ein für den Abend uncharakteristisches, rasend schnelles Tempo geschrieben, bei dem es Kožená aber trotuzdem nicht aus der Kurve haut.

Dass es dann so wenig Brüche, so viele klangliche Verbindungslinien gibt zwischen Debussy und Olivier Messiaen, das verblüfft beim direkten Hören. In den seiner Gattin Claire Delbos, genannt Mi, gewidmeten „Poèmes pour Mi“ vertont Messiean eigene Texte, in denen der legendär gläubige Katholik die Liebe zu seiner Frau mit der Liebe zur Kirche, zu Gott engführt, kulminierend in dem auf melodischen Gebetsformeln basierenden „Prière exaucée“ („Erhörtes Gebet“). Und weil Magdalena Kožená spürt, dass es jetzt erstmal genug ist mit französischer Musik, singt sie als Zugabe noch ein tschechisches Kunstlied von Leoš Janáček.

Getrübt wird die Freude über den Abend allerdings von der Entscheidung des Boulez Saals, ab dieser Saison keine Hintergrundtexte mehr im Programmheft abzudrucken, sondern sie nur noch online zur Verfügung zu stellen. Hat das Haus tatsächlich so wenig Geld? Das mutet lächerlich an, gedruckt wird das Programm ja trotzdem.

Viele Besucher wollen sich nicht vor einem Konzert informieren, sondern währenddessen – und sind jetzt gezwungen, wenn sie die Essays nicht auf leuchtenden Handydisplays mitlesen wollen, mit ausgedruckten DIN A 4-Blättern zu hantieren. Beides ist furchtbar – zumal die Texte schon am nächsten Tag offenbar nicht mehr zum Nachlesen auf der Webseite verfügbar sind. Nicht jede Digitalisierung ist ein Fortschritt.

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