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Saal 1, ICC, Messedamm, Westend, Charlottenburg, Berlin, Deutschland *** Hall 1, ICC, Messedamm, Westend, Charlottenburg, Berlin, Germany

© imago images/Joko

Visionen für das ICC in Berlin: Nachnutzung und Finanzierung gesucht

Die Zukunft des außer Betrieb gesetzten ICC ist weiterhin ungewiss. Das verdeutlichte auch eine Fachdiskussion im Aedes Architekturforum.

„Dieser schlafende Riese spiegelt den Optimismus seiner Zeit wider“, erklärt Michael Biel zum Auftakt einer Fachdiskussion zur Zukunft des ICC im Aedes Architekturforum. Der Staatssekretär in der Wirtschaftsverwaltung vertritt seinen erkrankten Senator Stephan Schwarz, und zwar glänzend.

Alle Diskutanten reden auf Englisch, Biel allerdings makellos, und wie er die Vorzüge des seit 2014 ungenutzten Internationalen Congress Centrums (ICC) preist, kann man sich vorstellen, dass er auch angelsächsische Investoren mit seiner Begeisterung anzustecken vermag.

Aber ach, von Investoren ist an diesem Montagabend nicht die Rede. Das ist ein Begriff, vor dem es der Mehrzahl der anwesenden Architekten und Kulturleute vermutlich graust. Doch mit den senatsseitig „zurückgestellten“ 200 Millionen Euro, so viel dürfte klar sein, ist die Herrichtung des ICC nicht zu stemmen.

Es sei denn, man heißt Dimitri Hegemann und ist erfolgreicher Club-Betreiber und Event-Veranstalter. Der nämlich zeigt mit dem Kraftwerk in der Köpenicker Straße, dass es auch ohne großartige Sanierung geht; freilich immer nur von Event zu Event und nicht alle Tage rund um die Uhr, wie es sich die Liebhaber des ICC von dessen künftigem Dasein erhoffen. Hegemann jedenfalls plädiert am Montag für eine Wiedereröffnung in Teilen: „Warum gleich alles?“ Und erklärt, gegebenenfalls „am 1. Mai loslegen“ zu können.

Das war wohl der Optimismus, von dem Biel eingangs sprach. Noch weitere schöne Worte gibt er dem Publikum mit. Das ICC sei „ein einzigartiges Gesamtkunstwerk“. Zwar sei die Technik „weg, aber die Architektur ist robust“. Immerhin steht das ICC seit 2019 unter Denkmalschutz, und der liegt nun wie ein Schutzwall vor möglichen Veränderungswünschen, wie sie Investoren so gerne mitbringen. „Keine Shopping Mall, kein Spielkasino, kein Bordell“, fasst Biel zusammen, was beim anstehenden, zweistufigen Auswahlverfahren jedenfalls nicht vorgeschlagen werden darf.

Auf der gemeinsam von der Senatswirtschaftsverwaltung, der Architektenkammer und der Fachzeitschrift „Bauwelt“ im Aedes Architekturforum ausgerichteten Veranstaltung steht zunächst die Präsentation ausländischer Vergleichsprojekte an.

Das ICC wurde zeitweise als Corona-Impfzentrum genutzt.

© imago images/Stefan Zeitz

Da ist die ehemalige Tabakfabrik „Van Nelle“ in Rotterdam, eine Ikone der Moderne, die von dem Büro broekbakema, den Nachfolgern der Erbauer-Architekten, nach 1997 zu einer „Designfabrik“ mit zahlreichen Einzelunternehmen umgewandelt wurde. Dann die „LocHal“ im niederländischen Tilburg, einer ehemaligen Lokomotivfabrik mitten in der Stadt, die das Büro Civic 2019 zur Stadtbibliothek samt Konzertbühne für 1000 Besucher umgebaut hat.

Und schließlich der Palais de Tokyo in Paris, seit 2002 eine erste Adresse für Gegenwartskunst und aus dem unansehnlich gewordenen Museumskomplex des Jahres 1937 hervorgegangen. Da hat das weithin gerühmte Architekturbüro Lacaton & Vassal alle Innenwände herausgerissen und nur das Nötigste eingebaut, aber höchst einfallsreich, so dass selbst die Klimatisierung ohne großen Aufwand vonstatten geht.

Renovierungsgesamtkosten von einer Milliarde Euro?

Viel ist da allerdings fürs ICC nicht zu lernen, zum einen wegen der schieren Größe des Berliner Giganten mit seinen rund 200.000 Quadratmetern Grundfläche, zum anderen wegen seiner bis ins ausgeklügelte Detail erhaltenswerten Rundum-Gestaltung. Das ICC ist ein Meisterwerk, darin sind sich alle Diskutanten einig; ein Lob, das das Entwerfer-Duo Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte sicher gerne zu Lebzeiten gehört hätten, nachdem das 1979 als eine Art Flaggschiff West-Berlins eröffneten Gebäude jahrzehntelang als technizistisches Monster verrufen war. So ändern sich die Zeiten.

Aber die Nutzung! Da kommen am Montag keine brauchbaren Ideen zur Sprache. Kunst, Kultur und Wissenschaft; gewiss, die sind immer zur Hand, wenn es um die Nachnutzung funktionslos gewordener Bauten geht. Doch allen Träumereien geht Thomas Willemeit vom Berliner Architekturbüro Graft dazwischen. Er rechnet die Gesamtkosten von Renovierung und Neuherrichtung – einschließlich des unabweisbaren Austauschs des nach 40 Jahren maroden Heizungs- und Klimasystems –, die vor vier Jahren auf 500 Millionen Euro geschätzt wurden, auf künftig eine Milliarde Euro hoch.

Es müsse sich rechnen, hält er den Umnutzungsverfechtern vor; und daran steckt wohl auch die unausgesprochene Kritik an den Vorgaben des rot-grünen Senats, der sich von einer irgendwie kommerziellen Mit- oder Teilnutzung schon verabschiedet zu haben scheint. Und es ist ja nicht nur die Renovierung. Es ist der dauernde Betrieb. Der kostet, obwohl er gar nicht stattfindet, schon jetzt mehrere Millionen Euro im Jahr, für die bloße Erhaltung. Aber wie sagt es Staatssekretär Biel so schön: „The impossible is possible!“

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