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15 January 2024: Remigration, the bad word of the year 2023 PHOTOMONTAGE *** Remigration, das Unwort des Jahres 2023 FOTOMONTAGE

© IMAGO/Bihlmayerfotografie/imago

Unwort des Jahres: Wie „Remigration“ plötzlich Karriere macht

Bislang vorwiegend von Rechten und Rechtsextremen benutzt, ist das Wort „Remigration“ so schnell wie lange keines in den Sprachmainstream eingegangen. Dafür sorgt leider auch die Auszeichnung zum Unwort.

Ein Kommentar von Gerrit Bartels

Wie ein Begriff, ein Wort auf einmal Karriere macht: Von „Remigration“ war bislang vor allem in rechten, rechtsextremen Kreisen die Rede. Wenn zum Beispiel das gerade zurückgetretene Vorstandsmitglied des Vereins Deutscher Sprache (VDS) Silke Schröder dieses Wort in einer ihrer „Deutschland-Kurier“-Kolumnen verwendet („Remigration oder Islamisierung – Deutschland am Scheideweg“), lange vor dem berüchtigten Treffen in einer Potsdamer Villa. (Ob der VDS nicht wusste, was Schröder in Kolumnen so verlautbart?) Oder der Rechtsidentitäre Martin Sellner ihn ohne Unterlass im Mund führt.

Wenn Rechtextremisten von „Remigration“ sprechen, dann meinen sie die zwangsweise Ausweisung oder „Rückführung“ von Menschen nicht-deutscher Herkunft, deren Eltern oder Großeltern nicht in Deutschland geboren sind – und nicht die freiwillige Rückkehr, zu der sich manche Migranten aus Alters- oder Heimwehgründen veranlasst sehen.

Das Treffen in Potsdam

Dieser Begriff gelangte mit vollem Effekt und seinen komplett negativen Konnotationen in den Sprachmainstream, nachdem das Recherchenetzwerk „Correctiv“ von dem Treffen von AfD-und CDU-Politikern und Mitgliedern der rechtsextremen identitäten Bewegung berichtet hatte, wo genau das, nämlich „Remigration“ diskutiert wurde – und für entsprechenden medialen Aufruhr sorgte.

„Remigration“ ist seit Tagen also in aller Munde, hat den rechtsextremen Dunstkreis verlassen. Nun also hat auch noch die mehrheitlich aus Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern bestehende Jury der Marburger „Unwort“-Aktion „Remigration“ zum „Unwort des Jahres 2023“ gekürt. Weil das Wort, so die Begründung, als „rechter Kampfbegriff“ und „beschönigende Tarnvokabel“ verwendet werde. Es sei, so die Jury weiter, „zu einem Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden.“ Im Übrigen habe man schon vor der aktuellen Debatte „Remigration“ ganz oben auf der Liste gehabt.

Allerdings, so muss man auch konstatieren, von Beschönigungen, Verschleierungen oder einem euphemisierenden Verwenden von „Remigration“ kann nicht mehr die Rede sein. (Zumal auch Migration nichts beschönigt – freiwillig ist diese auch eher weniger). Die aktuelle Debatte hat das gezeigt, die Zielrichtung der Rechten und Rechtsextremen ist klar vorgegeben. Insofern bekommt das Wort durch diese wiederum selbst eigentlich negativ konnotierte Auszeichnung einen weiteren Schub und noch mehr Popularität. Es wird die Debatte noch mehr bestimmen, auch jenseits semantischer Feinheiten. Aus einem Unwort des Jahres ist noch nie eine Vokabel geworden, die aus dem Sprachgebrauch gestrichen wird.

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