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Eine Statue des Odessa-Gründers Duke de Richelieu, geschützt mit Sandsäcken.

© Reuters/Alexandros Avramidis

Weltkulturerbe Odessa: Auch die Unesco interpretiert Russlands Angriff auf die Ukraine als Kolonialkrieg

Die Welterbe-Eintragung Odessas ist in der Geschichte der Unesco eine der dramatischsten. Sie bestätigt die Zugehörigkeit der Ukraine zur westlichen Staatengemeinschaft.

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Es gab in der Geschichte der Welterbe-Eintragungen bisher keine dramatischere als diejenige Odessas vor wenigen Wochen: Auch seither wurde die herrliche Hafenstadt von Russland mit Raketen beschossen, die totale Zerstörung nach dem Muster von Mariupol droht weiter. Deswegen wurde Odessa nur einen Tag später in die Rote Liste des akut bedrohten Welterbes aufgenommen.

Diese Unesco-Entscheidung ist eine Sensation

Die Sensation dieser Unesco-Entscheidung kann gar nicht genug betont werden: Mindestens seit 2013 und bis zum Rücktritt des russischen Botschafters als Welterbe-Präsident im November 2022 blockierte und delegitimierte Russland alle ukrainischen Welterbeanträge.

Beweisen doch etwa die schon seit 1989 (!) vorgeschlagenen mittelalterlichen Kathedralen von Tschernihiv, dass die christliche Orthodoxie Osteuropas keineswegs eine nur russische Geschichte hat, stehen die ebenfalls 1989 vorgeschlagene Gedenkstätte des Dichters Taras Schewtschenko und Schloss Kamianets-Podolskyi für die nationalukrainische Bewegung, zeigen die Paläste Krim-Tataren (2003) oder die Städte der Krim-Goten (2012), das die Behauptung einer rein russischen Krim blanke Propaganda ist, markieren die Sternwarten in Mykolajjv, Kiev oder auf der Krim (2007), aber auch Odessa (2009) und die genuesischen Festungen am Schwarzen Meer (2010) eine nach Westen gewandte Ukraine.

Die nach Westen gewandte Ukraine

Mit der Eintragung von Odessa wurde nicht nur ihr Anspruch bestätigt, ein weltoffener, toleranter, bürgerlicher Staat sein zu wollen, ein Teil des westlichen Europa. Wenigstens die Welterbe-Kommission der Unesco hat so auch klar gemacht, dass sie nunmehr den Krieg Russlands gegen die Ukraine als Kolonialkrieg interpretiert.

Das war nicht ohne inneren Widerstand möglich: Die Weltkulturorganisation ist tief vom der Erinnerung an den antikolonialen Kampf Nord-, Mittel- und Südamerikas, vor allem aber Asiens, Afrikas und der pazifischen Staaten geprägt. In vielen dieser Kämpfe stand, zur Schande des demokratischen Westens, seit 1945 die totalitäre Sowjetunion auf der Seite der Freiheit.

Bisher war es Putin gelungen, in der UN und der Unesco diese Erinnerung auf Russland zu übertragen, sogar über die brutale Vernichtung Groznys und Aleppos hinaus.

Der Krieg gegen die Ukraine hat aber endgültig auch hier klar gemacht: Russland ist eine Kolonialmacht, die ohne jede Rücksicht auf Völker- oder Menschenrechte ihren Vormachtsanspruch durchsetzen will.

Der Widerstand dagegen ist ein antikolonialer Freiheitskampf. Mal sehen, ob und wann auch deutsche Wagenknecht-Linke und idealistische „Nieder mit den Waffen“-Forderer das akzeptieren.

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