zum Hauptinhalt
Demonstrierende fordern im München ein Verbot von Abtreibungen.

© IMAGO/ZUMA Wire/Sachelle Babbar

Abtreibung neu regeln: Eine Prüfkommission wird das Kernproblem nicht lösen

Das von der Regierung einberufene Expertengremium zum Schwangerschaftsabbruch kann nicht die Frage beantworten, die sich seit 30 Jahren politisch stellt: Lohnt der Streit?

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Eine von der Regierung eingesetzte Kommission soll erkunden, ob der Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden könnte. Das ist das erklärte Ziel vieler, die den geltenden Paragrafen 218 mit seinen Ausnahmen als falsch empfinden.

Eine Frau solle selbst über ihren Körper entscheiden, heißt es. Allein. Ohne sich vorher „beraten“ zu lassen, wie es das Gesetz verlangt.

Das Ergebnis der Prüfkommission soll hier probeweise vorweggenommen werden: Man kann den Abtreibungsparagrafen streichen und den Abbruch außerhalb des Strafrechts regeln. Ethisch spricht wenig dagegen, medizinisch nichts. Religion zählt nicht. Kirchenleute sitzen keine in der Kommission, Männer wenige.

Es ist im Kern eine politische Frage, wie diese Form der Tötung – denn um eine solche handelt es sich – zu regeln ist.

Jost Müller-Neuhof

Das Recht dürfte eine überwindbare Hürde sein. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Frauen eine „Rechtspflicht“ auferlegt, ihr Kind auszutragen, wird 30 Jahre alt. Die einzige Frau, die daran beteiligt war, gibt es noch, von den Männern sind einige tot.

Versuchen könnte man es. Das Lebensrecht des Embryos steht in einem Konflikt zur Grundrechtsposition der Mutter, der final nur zu ihren Gunsten entschieden werden kann.

Entscheidend muss das Recht der Geborenen sein

Menschenwürde Ungeborener hin oder her, entscheidend muss das Recht Geborener sein. Der Gesetzgeber geht öfter an die Grenzen des Grundgesetzes. Warum nicht hier?

Es ist im Kern eine politische Frage, wie diese Form der Tötung – denn um eine solche handelt es sich – zu regeln ist. Die Schwangere steckt in einem Dilemma, wie sie mit ihrem Kind umgeht, und die Gesellschaft im Dilemma, wie sie mit der Schwangeren umgeht. Daran hat sich nichts geändert in den letzten 30 Jahren.

Der Auftrag an die Kommission soll nichts anderes sein als der Wiedereinstieg in diese Diskussion, genauer: Konfrontation. Ob sie am Ende gemeinsamen Fortschritt bringt oder neue Spaltung, ist so offen wie die Frage, was bei diesem Thema „Fortschritt“ sein kann.

Das Konzept „Selbstbestimmung“ ist, für sich genommen, jedenfalls nur begrenzt geeignet, Konsens zu stiften. Man sieht es in den USA.

Erfreulich wäre zunächst: eine gründliche Erforschung, welche tatsächlichen Probleme es gibt. Evidenz zur Versorgungslage statt Behauptungen von Interessengruppen. Und dann weitersehen. Der Konflikt ist groß genug. Größer muss man ihn nicht machen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false