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Für Klaus Wowereit wird das Regieren in Berlin zukünftig schwieriger.

© dapd

SPD-Parteitag: Der Anfang vom Ende der Ära Wowereit

Michael Müller ist nicht länger Landesvorsitzender der Berliner SPD. Das Votum für den Parteilinken Jan Stöß ist zugleich eines gegen Klaus Wowereit. Damit gerät auch die rot-schwarze Koalition in Turbulenzen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ein neuer Chef. Jetzt hat Berlins immer noch stärkste Regierungspartei mit dem Verwaltungsrichter Jan Stöß einen Mann an der Spitze, der den Anspruch erhebt: Was die SPD will, das gilt in der Stadt. Der Vormann der Parteilinken will das Profil der hauptstädtischen Sozialdemokraten schärfen, notfalls im Streit mit dem Senat, im Streit mit dem Regierenden Klaus Wowereit.

Sie leugnen es tapfer, aber diese Vorstandswahl hat den Anfang vom Ende der Ära Wowereit eingeläutet. Nicht nur weil der Regierende nach der Abgeordnetenhausfraktion jetzt auch die zweite Stütze seiner Regierungsmacht verloren hat: die eigene Partei, jedenfalls deren Führung, denn sein enger Vertrauter Michael Müller wurde abgewählt, obwohl sich Wowereit noch einmal für ihn starkgemacht hat. Es wird auch immer deutlicher, dass die Mehrheit der Berliner kein neues Königtum anstrebt. Klaus Wowereit von der Wiege bis zur Bahre, mindestens bis 2021, das muss nicht sein. So viele Verdienste kann kein demokratisch legitimierter Politiker anhäufen, dass er eine Dauerregentschaft anstreben dürfte.

Das Ziel der neuen SPD-Spitze ist klar und in sich logisch. Sie wollen nicht noch mehr Terrain an Grüne, Linke und Piraten verlieren. Diese Angst geht durchaus um. Die neue innerparteiliche Mehrheit duldet die rot-schwarze Koalition zwar, empfindet sie aber als Makel, der möglichst schnell beseitigt werden muss. Im nächsten Jahr sind Bundestagswahlen, das wird ein großer Stresstest für das Regierungsbündnis mit der Union. Es ist nicht ausgemachte Sache, dass die Koalition in Berlin das heil übersteht. Und es ist nicht gesagt, dass die Berliner SPD aus diesem Wahlkampf gestärkt hervorgeht.

Die Ausgangslage für 2013 ist schon deshalb schwierig, weil die Vorstandswahl eine gespaltene SPD zurücklässt. Auch wenn die Sozialdemokraten auf dem Parteitag pflichtgemäß Geschlossenheit beschworen. Die viele Jahre einflussreiche und geeinte SPD-Linke, die der Berliner Regierungspartei seit 2001 den Stempel aufdrückte, ist zerrissen. Die rechte Minderheit agiert nur noch taktisch, sucht ängstlich den Schutz der neuen Mehrheit. Ob die SPD-Rechte in nächster Zeit noch irgendetwas politisch bewirken kann, ist fraglich.

Der Parteitag der Berliner SPD in Bildern

Diese zerzauste hauptstädtische Sozialdemokratie, jedenfalls ihr jüngerer Teil, der sich in den zentralen Stadtregionen zu Hause fühlt, strebt erkennbar nach neuen Ufern. Die SPD muss nicht, aber sie könnte dabei stranden. Da hilft es wenig, dass nach 23 Jahren an der Regierung, zuerst als Juniorpartner der CDU, dann als Stütze des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, viele Genossen nichts anderes kennen als das Privileg der Macht. Der Gedanke, bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl 2016 in der Opposition verschwinden zu können, wird im Moment beiseite gewischt. Auf diesem Auge ist die Berliner SPD blind.

Die Parteispitze setzt auf einen neuen Kurs. Aber wer kommt nach Klaus Wowereit? Wer kann statt seiner einen Wahlkampf mit Aussicht auf Erfolg bestreiten? Eine überzeugende Persönlichkeit, die Partei und Wähler hinter sich einen kann, ist nicht in Sicht. Es ist, zugegeben, noch ziemlich früh für solche Überlegungen. Aber es hat schon seinen Reiz, rechtzeitig und ganz entspannt über neue Mehrheiten für Berlin nachzudenken, die – nach mehr als zwei Jahrzehnten – ohne SPD auskommen. Ein Abonnement aufs Regieren gibt’s nicht mal in Berlin.

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