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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss in der Cum-Ex-Affäre Kritik aushalten.

© REUTERS/Heiko Becker

Der Weg zur Cum-Ex-Wahrheit: Zwei Untersuchungsausschüsse klären mehr als einer

Die SPD lässt den gegen Kanzler Scholz gerichteten Unions-Vorstoß ins Leere laufen und beruft sich dazu auf die Verfassung. Welche Kontrolle will das Grundgesetz?

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Auf Antrag von mindestens einem Viertel der Abgeordneten hat der Bundestag die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Der soll klären, welche Fehler einer Regierung unterlaufen, welche Missstände sie verdunkelt. Am Ende gibt es Berichte, die notorisch gegensätzlich interpretiert werden. Was es aber auch gibt: Aussagen, Dokumente, Protokolle; Namen, Spuren, Hinweise. Ein Untersuchungsausschuss bringt selten die Wahrheit, aber er kann uns ihr näher bringen.

Zu den Verwicklungen von Kanzler Olaf Scholz in die Cum-Ex-Steueraffäre rund um die gemeinschädlichen Aktiendeals der Hamburger Warburg-Bank wird es vorerst keinen Untersuchungsausschuss geben. Obwohl die Union einen will. Scholz, früher Bürgermeister der Hansestadt, bestreitet ohnehin, etwas mit dem – später korrigierten – Verzicht auf eine Millionen-Steuerforderung gegen die Bank zu tun zu haben.

Ein U-Ausschuss ist ein Kontrollinstrument der Opposition. Sie nimmt damit nicht nur die Regierung ins Visier, sondern auch die Regierenden. Die haben – wie Scholz – ein politisches Vorleben.

Jost Müller-Neuhof

Die Union sagt: Wir wollen trotzdem aufklären. Die SPD mit der Ampel-Mehrheit sagt: Das ist verfassungswidrig. Denn in der Hamburger Bürgerschaft gebe es bereits einen U-Ausschuss. Im Bund dürfe nicht untersucht werden, was Ländersache sei. Eine bestechende föderale Logik, der man sich kaum verschließen mag. Zudem dürfte der Aufklärungseifer bei der Union geringer sein als die Lust an der Vorstellung, den Kanzler auf der Zeugenbühne mit dessen Erinnerungslücken zu quälen.

Umgekehrt wirken aber auch die Verfassungsargumente der Bundestagsmehrheit prüfbedürftig. Ein U-Ausschuss ist ein Kontrollinstrument der Opposition. Sie nimmt damit nicht nur die Regierung ins Visier, sondern auch die Regierenden. Die haben – wie Scholz – ein politisches Vorleben. Es geht also nicht allein um Bund-Länder-Fragen. Es geht allgemein um das Vertrauen der Bürger in die durch ihre Repräsentanten gewählten Exekutiv-Menschen. Zwei Ausschüsse, das wäre ein Doppel-Wumms für die Wahrheit.

Mit einer solchen Funktion verträgt es sich schlecht, ein Ausschuss-Begehren engherzig aufzufassen. Das ist hier aber geschehen. Es ist ein Indiz dafür, dass eine derartige Mission im Kanzleramt unerwünscht ist. Dabei könnte Scholz es locker sehen – wo er doch Befragungsroutine hat und an den Vorwürfen nichts dran sein soll. Oder stimmt das nicht?

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