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Ein Linker par excellence - Oskar Lafontaine.

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Dunkelrot-Rot-Grün in Thüringen: Von Bitburg nach Erfurt

SPD und Grüne schreiben in Thüringen Geschichte. Sie wählen Bodo Ramelow zum ersten linken Ministerpräsidenten. Am Abend zuvor zeigte Oskar Lafontaine bei Maybrit Illner, wohin die Reise gehen soll. Diese Form der dauerhaft demütigenden Machtteilhabe haben sich SPD und Grüne redlich verdient. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Die DDR ein Unrechtsstaat? Pah, was ist mit den Drohnentoten von Barack Obama? – Jesiden und Christen vor den IS-Mördern schützen? Pah, in Saudi-Arabien werden viel mehr Menschen geköpft, Deutschland liefert trotzdem Waffen. – Stasi-Mitarbeiter bei der Linken? Pah, Bodo Ramelow wurde vom Verfassungsschutz observiert.

Und während Oskar Lafontaine am Donnerstagabend bei Maybrit Illner ein ums andere Mal genüsslich, höhnisch und spöttisch die, wie er meinte, Doppelmoral von SPD und Grünen entlarvte, wehrten sich Karl Lauterbach (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) so tapfer wie verzweifelt. Am Ende aber waren sie die Geschlagenen. Denn jeder im Publikum und daheim vorm Fernseher wusste, dass es genau diese Ideologie war, die Lafontaine dankenswerterweise so glasklar vertrat, die am heutigen Freitag in Erfurt mit den Stimmen von SPD und Grünen an die Macht gebracht und damit geadelt wurde.

Keine Ausrede überzeugt. In Thüringen ja, im Bund nicht? Was für ein Quatsch! Als ginge es bloß darum, die Müllabfuhr von Ilmenau zu organisieren. Zum einen degradiert eine solche Aussage die Bewohner Thüringens zur bloßen Experimentiermasse. Zum anderen ist Thüringen über den Bundesrat auch an Entscheidungen beteiligt, die weit übers Land hinausgehen. Zum dritten ist die Aufspaltung in „gute“ und „böse“ Linke vollkommen willkürlich.

Es gibt Regierungskoalitionen, aber keine Oppositionskoalitionen

Die CDU hat’s vermaselt. Ein reines Ablenkungsmanöver! Statt über historische Erbschaften zu reden, wird über Union und AfD orakelt. Das kennt man von Putin: Wegen der Faschisten in Kiew musste ich mir leider die Krim schnappen. Merke: Es gibt Regierungskoalitionen, aber keine Oppositionskoalitionen. Wer regiert, kann entscheiden, ob er dabei ist oder nicht. Mit wem man in der Opposition abstimmt, entzieht sich der eigenen Macht.

Nun versuchen Dunkelrot-Rot-Grün-Anhänger, den Talkshow-Auftritt Lafontaines als untypisch für die Linke zu interpretieren. Dabei hat Lafontaine, wie es seine Art ist, nur mit der Stillhalte- und Schweigemaxime gebrochen, die sich viele Linke vor der Wahl in Thüringen verpasst hatten, um das „bürgerliche Lager“ nicht unnötig zu verschrecken. Lafontaine steht für die Linke wie kaum ein zweiter. Er genießt es, dass Sozialdemokraten und Grüne dies wissen und trotzdem seiner Partei in Erfurt zur Macht verhelfen. Er tritt die Steigbügelhalter mit den Sporen seiner Stiefel - im Wohlgefühl des Vertrauens darauf, dass die Mehrheitsbeschaffer ihren Job beflissen ausführen werden.

Im Mai 1985 legten Helmut Kohl und Ronald Reagan auf dem Soldatenfriedhof „Kolmeshöhe“ in Bitburg, wo auch Angehörige der Waffen-SS beerdigt worden waren, Kränze nieder. Versöhnung über den Gräbern, durch Kohl von Reagan erpresst, weil andernfalls angeblich Neuwahlen gedroht hätten. Schwamm drüber. Über die Geschichte, über Kränze wie über die Erpressung.

Und so wird auch über Erfurt der Schwamm gewischt werden. SED, Stasi, Wende, Opfer, Hohenschönhausen, Bautzen – Versöhnung! Eine Linke, die in Teilen antisemitisch, in großen Teilen antiamerikanisch, in noch größeren Teilen pro-Putin ist, gelangt mit Hilfe von SPD und Grünen an ihr Ziel. Vielleicht hat es ja auch sein Gutes. Zumindest SPD und Grüne haben diese Form der dauerhaft demütigenden Machtteilhabe redlich verdient.

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