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Patriarch Bartholomäus I.: „Eine neue Türkei wird geboren“

Zuletzt trat er vor 19 Jahren vor dem türkischen Parlament auf. Jetzt kam der Patriarch der orthodoxen Kirche wieder, um für die Rechte der Christen zu werben. Ein Porträt.

Mit seinen 69 Jahren hat Bartholomäus I. schon viel erlebt, doch der vergangene Montag war selbst für den weißbärtigen Patriarchen der orthodoxen Kirche etwas Besonderes. „Eine neue Türkei wird geboren“, sagte Bartholomäus bei der Anhörung durch einen Parlamentsausschuss in Ankara: Zusammen mit anderen Vertretern der kleinen christlichen Minderheiten legte der Patriarch die Wünsche der Christen an die geplante neue Verfassung der Türkei dar. Zum ersten Mal konsultiert das Land offiziell die Minderheiten in einer so wichtigen Frage.

Moderner und demokratischer soll die neue Verfassung werden, die bis Ende des Jahres stehen und die derzeitige, 1982 unter Militärherrschaft entstandene Verfassung ersetzen soll. Ein „Einigungsausschuss“ aus allen im Parlament vertretenen Parteien soll Vorschläge von Parteien, Verbänden, Experten und Normalbürgern sammeln und einen konsensfähigen Entwurf erarbeiten. Ob das gelingen kann, ist angesichts der tiefen politischen Gräben in Ankara ungewiss. Bartholomäus würdigte daher die Tatsache des Gesprächs an sich. Der letzte Besuch des Patriarchen im Parlament liegt 19 Jahre zurück.

Trotz offizieller Chancengleichheit in der säkularen Republik Türkei sind die rund 150.000 Christen und Juden in dem 75-Millionen- Land stark benachteiligt. Das fängt bei der Ausbildung des klerikalen Nachwuchses an: Bartholomäus selbst ist Absolvent der Priesterschule Halki bei Istanbul, die seit 1971 geschlossen ist. Probleme haben die Christen auch beim Immobilienbesitz, selbst wenn die Regierung des frommen Muslims Erdogan in den vergangenen Jahren im Rahmen der EU-Bewerbung der Türkei einiges verbessert hat.

Das Verhältnis des türkischen Staates zu den Nicht-Muslimen ist von tiefem Misstrauen geprägt. So erkennt Ankara Bartholomäus nicht als geistliches Oberhaupt von 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit an, was er als ‚Ökumenischer Patriarch‘ ist, sondern nur als Oberhirten der rund 3000 bis 5000 orthodoxen Christen in der Türkei selbst: Ankara befürchtet, am Sitz des Patriarchats in Istanbul könne so etwas wie ein zweiter Vatikan entstehen.

Bartholomäus betonte vor den Parlamentariern, dass es den Christen nicht um Sonderrechte gehe, sondern um Gleichbehandlung. So beklagte der Patriarch, dass er sich bei allen offiziellen Angelegenheiten an das türkische Außenministerium wenden muss: „Das ist nicht richtig“, sagte er. „Wir sind keine Ausländer.“

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