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Proteste gegen die vielen Hinrichtungen im Iran.

© Action Press/Zuma Press/Uncredited

Immer mehr Hinrichtungen in der Welt: Werte gibt es nicht umsonst

883 Menschen wurden im vergangenen Jahr getötet – nach staatlichem Willen. Das zu ändern erfordert Mut und Rückgrat. Annalena Baerbock hat sich da was vorgenommen.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wie war das? 2022 hat es laut Menschenrechtsorganisation Amnesty International weltweit so viele Hinrichtungen gegeben wie seit fünf Jahren nicht mehr. Und, wo bleibt der Aufschrei? Dass er ausbleibt, wirft ein Schlaglicht: auf die Notwendigkeit, Außenpolitik anders zu denken.

883 Exekutionen in 20 Ländern, 90 Prozent davon in nur drei Ländern, der Iran mit seinem Mullah-Regime ganz vorn. Und nur weil es von China keine ganz verlässlichen Zahlen gibt, steht die aufstrebende Macht nicht an erster Stelle. Tausende Hingerichtete sollen es dort sein.

Diese Haltung gegenüber dem Wert von Menschenleben dringend ändern zu wollen, ist der erste Impuls. Er wird nicht dadurch falsch, dass es schwierig sein wird, daraus eine nachhaltige Politik zu entwickeln. Sechs Staaten haben sich von der Todesstrafe abgewandt. Immerhin, nur reicht das bei Weitem nicht. Die USA sind noch nicht darunter.

Mit veränderten politischen Grundsätzen neue Grundlagen zu schaffen, das muss erst einmal gelingen. Und darum geht es bei der „wertegeleiteten Außenpolitik“ von Annalena Baerbock. In der Zahl der Hinrichtungen findet der Begriff eine weitere Begründung. Wer hier das Bewusstsein für Unrecht schaffen und Veränderung erreichen will, braucht Mut zum offenen Wort und Rückgrat. Auch gegenüber Freunden. Leisetreterei war gestern.

Wandel durch Anbiederung ist kein Konzept. Zivilgesellschaften und ihre Vertreter werden da immer wieder auf die Probe gestellt. So wie Baerbock gerade in Saudi-Arabien und Katar. Sie muss Haltung zeigen, ihren Standpunkt vertreten. Einfach ist das nicht.

Zumal es ja auch darum geht, besonders Staaten wie China und Iran deutlich zu machen, dass die Stärke des Rechts weit über dem Recht des Stärkeren steht. Es ist, wie Deutschlands langjähriger UN-Botschafter Christoph Heusgen schreibt: Mit Rechtsstaat, Demokratie, Pluralismus und einer starken Zivilgesellschaft wurden nach dem Zweiten Weltkrieg unglaubliche Erfolge erzielt.

Doch den Beweis, „dass wir totalitären Staaten überlegen sind“, müssen Demokratien immer wieder aufs Neue antreten. Da gilt: Werte gibt es nicht umsonst. Unter den fast 200 Staaten der UN werden sich aber doch wohl Koalitionspartner dafür finden lassen; zur Not übrigens auch für den Einsatz von Sanktionen. Das Recht darf nicht zahnlos sein.

Vielleicht hat Annalena Baerbock mit ihrem Begriff den wunden Punkt getroffen. Außenpolitik muss heute anders gedacht werden. Sonst verliert sie ihren Wert.

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